Fachtexte
Die Fachtexte zu den 3 Kernthemen von Quigs Kids bieten eine theoretische Hinführung zum Thema, geben Einblick in den wissenschaftlichen Fachdiskurs und bieten Anregungen zur Umsetzung. Zusätzlich enthalten sie jeweils Reflexionsfragen für Lehr- und Fachkräfte. Die Texte stammen aus dem Sammelband der Serviceagentur Ganztagsbildung NRW, in dem auch die inhaltliche Grundlage für den Begriff der kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung dargestellt wird.

Kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung
Impulse für die pädagogische Praxis und die Wissenschaft
Die nachfolgenden Beiträge sind Teil des Sammelbandes „Kind- und Jugendorientierte Ganztagsbildung – Impulse für die pädagogische Praxis und Wissenschaft“, der als open access Publikation verfügbar ist.
Fachtext zum Kernthema Partizipation: „Mitbestimmen, mitgestalten und mitverantworten – Demokratielernen in Ganztagsschulen“
Autor:innen: André Altermann, Ramona Steinhauer
1. Einleitung
Partizipation im Sinne von Teilhabe, Beteiligung, Mitwirkung, Mitsprache und Mitverantwortung ist die notwendige Bedingung eines solidarischen, selbstbestimmten und auf Gemeinschaft beruhenden Zusammenlebens und somit eine Form des praktischen Vollzugs von Demokratie. Sie bildet die Basis und ist zugleich eine notwendige Voraussetzung für alle offenen, demokratisch verfassten Gesellschaften und deren Teilbereiche. Für die Mehrzahl der Erwachsenen in unserer Gesellschaft ist Partizipation von einer emanzipatorischen Errungenschaft zu einem Selbstverständnis und einem unhinterfragten Recht geworden. Man denke nur an das passive und aktive Wahlrecht, an betriebliche Mitbestimmung, das Selbstbestimmungsrecht von Patient:innen und der Gleichen mehr. Ebenso wie den Erwachsenen unserer Gesellschaft, stehen auch Kindern und Jugendlichen ‚verbriefte‘ Beteiligungsrechte zu, die ihnen weitreichende Partizipationsmöglichkeiten und -optionen in ihren jeweiligen Lebensbereichen zusichern. Das gilt grundsätzlich für alle Lebensbereiche der Heranwachsenden und für alle Institutionen und Organisationen, die Kinder und Jugendliche adressieren bzw. in denen sie Lebensabschnitte verbringen.
In diesem Beitrag soll der Fokus speziell auf (Ganztags-)Schulen gelegt werden, denn abgesehen vom familiären Kontext verbringen Heranwachsende in keiner anderen Institution mehr Zeit und in kaum einer anderen Lebensphase werden derart weitreichende Weichenstellungen für die weitere biographische Entwicklung gelegt. Partizipation ist somit, gleich ob für Erwachsene oder Heranwachsende, einerseits ein individuelles Recht, gleichzeitig aber auch in seiner politischen Dimension ein elementares Prinzip und eine Kernbedingung einer ‚offenen Gesellschaft‘ (vgl. Popper 1992) im Kontext emanzipatorischer und libertärer Gesellschaftsmodelle. Formal ist das Partizipationsrecht von Kindern und Jugendlichen über viele internationale und nationale Rechtsnormen zu einer normativen Orientierung für alle Institutionen geworden, die die Belange von Kindern und Jugendlichen betreffen. So sind auch schon lange Formen der Partizipation in den jeweiligen Landesschulrechten verankert und werden bereits in vielerlei Zusammenhängen praktiziert. Dennoch gibt es in vielen (Ganztags-)Schulen noch ein erhebliches Entwicklungspotenzial und bisher unberücksichtigte Bereiche, die für den weiteren Ausbau partizipativer Strukturen geeignet sind. Ganztagsschulen verfügen über Strukturen, Handlungsfelder und Rahmenbedingungen, die potenziell ein „Mehr an Partizipation“ begünstigen. Dabei können Partizipationsmöglichkeiten insbesondere dann genutzt werden, wenn sich Ganztagsschulen zu einem demokratischen Erfahrungsraum entwickeln und nicht als ergänzende Nachmittagsbetreuung verstanden werden (vgl. Sliwka/ Nguyen 2020).
2. Begriffsbestimmung, formale Aspekte und Verbreitung
2.1 Partizipation – und Demokratiebildung
Partizipation ist ein Begriff, mit dem die meisten Menschen eine Bedeutung verbinden, die allerdings je nach Handlungsfeld oder Kontext variieren kann. Partizipation ist eine über den Zeitverlauf veränderliche Begrifflichkeit, die ihren Ursprung in politischen Verfahren der Entscheidungsfindung und Machtbeschränkung – z.B. Bürgerrechtsbewegungen –, im Laufe der letzten 50 Jahre hat, aber in vielfältigen Kontexten inhaltlich erweitert wurde (vgl. Betz et al. 2010). In demokratietheoretischen Debatten stellt Partizipation als „Modus politischer und sozialer Integration“ (Betz et al. 2010: 1, in Bezug auf Schnurr 2001) einen Wert an sich dar. Gleichzeitig kommt ihm auch eine legitimatorische und emanzipatorische Funktion zu. Somit hat Partizipation auch einen instrumentellen, utilitaristischen Charakter. „Dieser ‚Doppelcharakter‘ von Partizipation mit den Zielvorstellungen Autonomie und Selbstbestimmung einerseits sowie Integration und Stabilisierung andererseits, ist schon immer in dem Begriff angelegt“ (Betz et al. 2010: 4). In seiner humanistischen und gesellschaftstheoretischen Verortung ist Partizipation ein zentraler Teilaspekt demokratischer Handlungspraxen (vgl. Bettmer 2008) und manifestiert sich insbesondere dort, wo Demokratie als Gesellschaftsform (z.B. Pluralismus, nicht-staatliche Konfliktregelung, freie und vielfältige Öffentlichkeit, zivilgesellschaftliches Engagement) und als Lebensform (z.B. Anerkennung, Gewaltverzicht, Fairness, Kooperation, Solidarität, Selbstverwirklichung) verstanden wird (vgl. Himmelmann 2004). Demokratiebildung ist entsprechend, die Ausübung demokratischer Partizipation im Sinne von Mitentscheidung und Mitgestaltung über alltägliche Lebensverhältnisse wie z.B. in der Ganztagsschule (vgl. Sturzenhecker 2020). Denn Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Prozess, den es permanent durch Interaktions- und Aushandlungsprozesse aufrechtzuerhalten gilt. Demokratiebildung ist demnach im Grunde ein lebenslanger Prozess, der mit Blick auf Heranwachsende so frühzeitig wie möglich in Familien, Kindertageseinrichtungen und Schulen erlernt, eingeübt und erfahren werden muss.
Definition Demokratiebildung: Die selbsttätige Aneignung von Demokratie durch ihre Praxis ist Demokratiebildung (vgl. Sturzenhecker 2020).
Für den Begriff Partizipation gibt es zahlreiche Auslegungen und es finden sich viele Bedeutungsinhalte wie z.B. Beteiligung, Mitbestimmung, Teilhabe, Mitsprache, Engagement. Ein recht allgemeingültiger Definitionsvorschlag findet sich bei der Bertelsmann Stiftung 2008, der auch für diesen Fachtext zugrunde gelegt werden soll (s. Schaukasten). Betont werden muss, dass es sich bei Partizipation stets um die Schaffung von Möglichkeitsstrukturen handelt. Partizipation ist ein Recht – keine Pflicht, setzt Freiwilligkeit voraus und kann nicht verfügt werden. Partizipation umfasst somit nicht nur die in der Definition explizit angeführten Dimensionen ‚Mitbestimmung‘ und ‚Mitwirkung‘, sondern implizit auch den emanzipatorischen Aspekt der ‚Selbstbestimmung‘. „Wenn wir von Partizipation in der Schule reden, so meinen wir, dass hier Individuen oder Gruppen von Individuen freiwillig aktiv werden mit dem Ziel, eine Situation oder einen Sachverhalt, von dem sie betroffen sind, zu verändern oder zu verbessern“ (Wedekind/Schmitz o.J.: 11). Partizipation eröffnet Kindern und Jugendlichen demnach erweiterte Handlungsoptionen, die aber, wie hier im Schulbeispiel je nach institutionellem oder organisatorischem Kontext, auch Beschränkungen unterliegen.
Definition Partizipation: „Kinder und Jugendpartizipation ist das aktive und nachhaltige Mitwirken und Mitbestimmen von Kindern und Jugendlichen an Planungen und Entscheidungen, die ihre Lebenswelt betreffen sowie an deren Verwirklichungen“ (vgl. Bertelsmann Stiftung 2008)
Ergänzende Beschreibungen für Partizipation stellen gängige Stufenmodelle (z. B. nach Hart 1997 oder Schröder 1995) dar, die aber eher verschiedene ‚Ausprägungsstufen‘ beschreiben und weniger definitorisch festlegen, ab wann eindeutig von ‚Partizipation‘ gesprochen werden kann. In der Regel greifen diese Modelle die unterschiedlichen Ausgestaltungsformen von Partizipation auf und identifizieren unterschiedliche Stufen der Beteiligung (vgl. hierzu ausführlich Becker 2014: 8f). Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie zwischen echter und falscher bzw. Schein-Partizipation unterscheiden. So stellen die unteren Stufen beispielsweise keine wirklichen Beteiligungsformen, sondern eine Instrumentalisierung Heranwachsender dar (vgl. Heinrich/Stötzel 2015: 66). Von pädagogischen Akteurinnen und Akteuren können Stufenmodelle der Partizipation als Reflexionsfolie genutzt werden, um sich der Grade der Beteiligung in ihrer Kommune oder an ihrer Schule bewusst zu werden (vgl. Heinrich/Stötzel 2015: 67). Zudem existieren nicht nur verschiedene Stufen von Beteiligung, sondern auch verschiedene Formen. Neben den häufig umgesetzten offenen Beteiligungsformen, wie Kindersprechstunden oder Kinderräten auf kommunaler Ebene, gibt es auch parlamentarische Formen, bei denen Kinder direkt an Entscheidungen der Schulen mitwirken. Bei der projektbezogenen Beteiligung setzen Kinder dagegen eigene Ideen um, die für ihr Leben unmittelbar von Bedeutung sind. Projektbezogene Beteiligung ermöglicht es Kindern, ihre eigenen Ideen und Wünsche zu verwirklichen und die Ergebnisse ihres Handelns zu erleben (vgl. DKJS 2019, 24). Gleichzeitig ist jedoch die Beteiligung in projektbezogenen Formaten oft weniger nachhaltig (vgl. Schwanenflügel 2015, 70).
2.2 Rechtliche Grundlagen
Partizipation als demokratisches Grundrecht ist auf nahezu allen rechtlichen Ebenen verankert. Auf internationaler Ebene ist hier die UN-Kinderrechtskonvention zu nennen. Artikel 12 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention spricht jedem Kind das Recht zu, seine Meinung „in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern“ und verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, diese angemessen und entsprechend des Alters und der Reife des Kindes zu berücksichtigen. Aber auch auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene lassen sich rechtliche Bestimmungen finden, die ein Partizipations- und Mitbestimmungsrecht von Kindern und Jugendlichen formulieren. Neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Baugesetz, u.v.m. sichert bspw. der §8 SGB VIII die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen „an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe“. Das Recht auf Mitwirkung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen drückt sich zudem in vielen weiteren Paragrafen des SGB III aus (u.a. §1, §5, §36 und §80). Auch für den Bildungsort „Schule“ werden Rechtsgrundlagen zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen formuliert. So sieht der „Beschluss zur Stärkung der Demokratieerziehung“ seitens der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2009 vor, dass Kinder bereits ab dem Grundschulalter an demokratische Grundprinzipien herangeführt werden sollen und Schule „ein Handlungsfeld gelebter Demokratie“ sein muss (vgl. KMK 2009, 2f). Die Schulgesetze der Länder führen die rechtlichen Grundlagen der Schülerpartizipation weiter aus. §42 des Schulgesetzes NRW legt fest, dass Schülerinnen und Schüler das Recht haben, im Rahmen dieses Gesetzes an der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mitzuwirken und ihre Interessen wahrzunehmen. Sie sind ihrem Alter entsprechend über die Unterrichtsplanung zu informieren und an der Gestaltung des Unterrichts und sonstiger schulischer Veranstaltungen zu beteiligen (MSW NRW 2012: §12 (2)). Im Runderlass des Landes NRW ist die Orientierung an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ein erklärtes Ziel sowie die Einbindung der jungen Menschen an der Konzeption und Durchführung der Ganztagsangebote als Merkmal formuliert (MSW NRW 2010, Nr. 3.1).
2.3 Zur Bedeutung von Partizipation für die Entwicklung der Heranwachsenden
Partizipation und Demokratielernen nehmen im Kontext von kind- und jugendorientierter Ganztagsbildung eine grundlegende Rolle ein. Erst über die Beteiligung und Mitwirkung der jungen Menschen bekommen Erwachsene einen Zugang zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und erfahren dadurch, was Heranwachsende bewegt. Partizipatorische Ansätze vermitteln zudem wichtige Kompetenzen und können das Zusammenleben und -wirken in der gesamten Kommune oder auch in einzelnen Bildungseinrichtungen, wie der (Ganztags-)Schule verbessern. Dabei sind partizipative Prozesse und Methoden schon bei Kindern möglich: Schon im Kindergartenalter sind Kinder in der Lage moralische Urteile zu fällen und sich in andere hineinzuversetzen, was eine wesentliche Voraussetzung für partizipative Prozesse darstellt. Sie verfügen über einen Gerechtigkeitssinn, der sich im Laufe der Grundschulzeit weiterentwickelt (vgl. Kohlberg 1996; Piaget 1983). Eine autonome Moral im Sinne einer Selbstverpflichtung auf gemeinsam erzeugte Regeln kann bereits im Alter von acht bis zehn Jahren eintreten, also im Grundschulalter (vgl. Bettmer 2008). So können bereits frühzeitig wichtige Grundlagen für ein demokratisches Miteinander gelegt werden. Ganztagsschulen bieten dabei durch mehr zeitliche, räumliche und personelle Ressourcen das Potential, Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche auszuweiten. So kann das „System Schule“ im Rahmen der Ganztagsschule durch die Perspektiven und Prinzipien der Jugendhilfe ergänzt werden, die grundsätzlich einen partizipatorischen Ansatz verfolgen (vgl. Stolz u.a. 2011; Sturzenhecker 2011) und diesen bereits in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern verankern (vgl. Knauer u.a. 2016). Die methodischen Grundlagen zur Partizipation sind entsprechend in der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt und erprobt. Insbesondere die in Kita und am Übergang Kita-Grundschule (vgl. Aghamiri 2016/ 2019/ 2020) sowie die in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit entwickelten Ansätze und Arbeitsweisen können auf die (sozial-)pädagogischen Anteile des Ganztages transferiert werden (vgl. Sturzenhecker 2020).
2.4 Partizipation in Theorie und Praxis – Ein breit akzeptierter Ansatz mit Umsetzungsdefizit
Das Thema „Partizipation“ war in der Vergangenheit insbesondere im Rahmen der (Ganztags-)Schullandschaft in vielen Forschungsarbeiten zentraler Gegenstand. Dabei wurden nicht nur Effekte und Wirkungen untersucht, die mit Partizipation von Kindern und Jugendlichen verbunden sind, sondern auch die Güte und Verbreitung von Partizipation in den verschiedenen Lebensbereichen, die junge Menschen betreffen. Für den Schulbereich machen die Forschungsergebnisse deutlich, dass der Beteiligungsgrad generell schwach ausfällt und bestenfalls dort als befriedigend empfunden wird, wo er grundlegende Aspekte der Schule nicht berührt (Altermann u.a. 2016; Arnold/Steiner 2011; Beher u.a. 2007; Bettmer 2008; Betz u.a. 2010; BJK 2009; Börner u.a. 2014; Derecik u.a. 2013; Speck 2006; Stolz u.a. 2011; Wagener 2013). Auch ein Blick in die Praxis verdeutlicht, dass eine systematische Beteiligung in vielen Bereichen bisher noch nicht strukturell verankert ist, sondern oftmals von der Haltung einzelner Personen abhängt. Olk und Roth (2007) sprechen davon, dass es weniger ein Begründungs- als vielmehr ein Umsetzungsdefizit bei der Schaffung von Partizipationschancen für Kinder und Jugendliche gibt (vgl. Olk/Roth 2007, 39). Das Bundesjugendkuratorium konstatierte 2009 ebenfalls Handlungsbedarf, da Kinder und Jugendliche zwar Rechte haben, jedoch „die Eröffnung von entsprechenden Beteiligungsmöglichkeiten im öffentlichen Bereich kaum Fortschritte gemacht hat“ (vgl. BJK 2009, 5). Die Gründe für die mangelhafte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mögen vielfältig sein und reichen von Unwissenheit, über Vorurteile und Abwehrhaltungen, bis hin zu fehlenden institutionellen Bedingungen, um Partizipationsverfahren nachhaltig zu installieren (vgl. Billis/Heinrich 2016). Perspektivisch dürfen diese Gründe jedoch keine Entschuldigung oder Erklärung bleiben, um in der (Ganztags-)Schule die Beteiligung und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen nicht grundlegend zu verankern. Im Rahmen der Schule führt eine unzureichende Beteiligung dazu, dass Kinder und Jugendliche zu wenig ihre eigenen Interessen und Neigungen sowohl in Unterricht als auch in außerunterrichtlichen Angeboten wiederfinden, was wiederum die Unzufriedenheit mit dem Besuch der Angebote und der Schule insgesamt erhöht. In diesem Zusammenhang bilanzierte der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (2017), dass es den Ganztagsschulen bislang an einem Profil bzw. Konzept fehlt, das Jugendliche anspricht und ihre Bedürfnisse mit den schulischen Belangen in einen konstruktiven Zusammenhang bringt (vgl. BMFSFJ 2017: 476). Er empfiehlt daher zu klären, wie eine den Belangen Jugendlicher entsprechende Ganztagsschule aussehen kann (vgl. BMFSFJ 2017: 355) und betont, dass sich die Ganztagsschule in ihrer pädagogischen Konzeption stärker an den Kernherausforderungen des Jugendalters orientieren und die Vorstellungen sowie Interessen der Jugendlichen einbeziehen sollte (vgl. BMFSFJ 2017: 476f.). Dass Kinder und Jugendliche in der Schule mitreden und -gestalten wollen, zeigte auch die BiGa NRW im Jahr 2016. Die Palette der von den Schülerinnen und Schülern genannten mitzubestimmenden Bereiche reichte von der Unterrichtsmethodik, über Leistungsbewertung, zu Lernzeiten und Hausaufgaben, dem sozialen Miteinander, zeitlichen Strukturen und Ganztagsangeboten bis zu gemeinsamen Projekten mit außerschulischen Partnern (vgl. Altermann u.a. 2016: 67ff). Demnach beschränkt sich Partizipation nicht nur auf die „klassischen“ Themen wie Klassenfahrten, Verwendung der Klassenkasse, Schulhofgestaltung, Klassenraumgestaltung und auch nicht nur auf die Mitwirkung in klassischen schulischen Gremien, sondern bezieht die gesamte Lern- und Lebenswelt Ganztagsschule mit ein.
3. Effekte und Vorteile von Partizipation
Hinsichtlich der Frage, inwiefern das einzelne Kind bzw. der einzelne Jugendliche von Partizipationsprozessen profitieren kann, lässt sich eine ganze Bandbreite an Vorteilen, Wirkungen und Effekten nennen, die sich auch empirisch belegen lassen. Das bedeutet, durch Partizipation werden nicht nur die individuellen Bedürfnisse der Heranwachsenden in den Mittelpunkt gestellt, sondern auch Kompetenzen und Fertigkeiten erworben, die die Kinder und Jugendlichen bei ihren Entwicklungsaufgaben fördern und sie gleichzeitig dabei unterstützen, die an sie gestellten gesellschaftlichen Anforderungen zu bewältigen. So lernen junge Menschen durch Partizipation, dass sie als eigenständiges Individuum gehört und respektiert werden. Sie erhöht den Grad an
Autonomie und Selbstbestimmung und ermöglicht ihnen, ihre Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten (Empowerment), während sie gleichzeitig lernen, ihre Belange mit den Interessen anderer auszubalancieren bzw. in Einklang zu bringen. Gleichzeitig üben sie, die Situation (z.B. die Ausgangsbedingungen in der Klasse oder Ganztagsgruppe) realistisch einzuschätzen oder zu überlegen, wo die Grenzen des Machbaren liegen. So lernen die Kinder und Jugendlichen auch demokratisches Denken und Handeln, indem sie Verantwortung für sich und andere übernehmen. Dies schult nicht nur die grundlegenden demokratischen Kompetenzen und Fertigkeiten der Kinder und Jugendlichen, sondern kann auch perspektivisch dafür sorgen, dass eine Gesellschaft mit demokratisch handelnden Bürgerinnen und Bürgern daraus hervorgeht. So trägt Partizipation einerseits zur Identitätsbildung bei, indem Selbstreflexion und Selbstpositionierung geübt werden, andererseits erleben junge Menschen auch soziale Eingebundenheit und können soziale Kompetenzen (weiter-)entwickeln (vgl. Fooken 2008). Partizipation befördert somit nicht nur Integration und Stabilisierung, sondern auch Autonomie und Selbstbestimmung des Individuums (Betz u.a. 2010, 15). Junge Menschen fühlen sich zudem wertgeschätzt, wenn erwachsene Akteure ihnen zuhören und ihre Wünsche wahrnehmen. Die Umsetzung von eigenen Ideen in der Kommune oder im Schulleben stärkt ihr Selbstbewusstsein und das Gefühl, durch eigenes Tun Veränderungen herbeiführen zu können (vgl. DKJS 2019, 23). Partizipation steigert auch nachweislich die Zufriedenheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, die mit den Kindern und Jugendlichen zu tun haben (vgl. Börner u.a. 2014). Schülerinnen und Schüler erleben so eine erhöhte Lernmotivation, wenn sie beteiligt werden, ihren Interessen nachgehen und diese mit dem Unterricht verknüpfen können (vgl. Börner u.a. 2014), was wiederum fachliche Kompetenzen (Schulleistungen) befördert (vgl. Leonhard 2014; Deci/Ryan 1993). Hier knüpfen Konzepte des selbstgesteuerten Lernens an, die davon ausgehen, dass nur die jungen Menschen selbst festlegen können, welche Inhalte und Herangehensweisen sie als anregend empfinden (vgl. Stolz u.a. 2011). Damit sind bereits zentrale positive Effekte genannt, die durch Partizipation hervorgerufen werden. Sie machen deutlich, warum die Beteiligung von jungen Menschen für eine wirksame kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung so wichtig ist.
4. Partizipation konkret umsetzen – Empfehlungen zur Implementierung in der Praxis
Aus den Kommunen und Schulen, in denen bereits partizipative Strukturen erfolgreich eingeführt wurden, lassen sich Empfehlungen für die Implementierung von Partizipation und Demokratielernen in die Praxis ableiten. Dabei werden die drei Dimensionen (1) Haltung, (2) Methode und (3) Struktur im Kontext von Beteiligungsverfahren als Hintergrundfolie herangezogen (s. Abb. 1 vgl. DKJS 2019: 26). Dieses „Beteiligungsdreieck“ dient als Orientierung und kann helfen, herauszufinden, warum ein Projekt oder eine Maßnahme zur Beteiligung junger Menschen nicht gut läuft bzw. an welcher Stelle nachgesteuert werden muss. Dabei kann Beteiligung nur gelingen, wenn ein ausgewogenes Verhältnis der drei Dimensionen vorliegt (vgl. DKJS 2019: 26).
Praxisbeispiele zur Partizipation im Rahmen der Ganztagsschule finden sich z.B. in:
- Billis, J./Heinrich, D. (Hrsg.) (2016): Kinder beteiligen! Anregungen zur Umsetzung von Partizipation in offenen Ganztagsschulen des Primarbereichs. Heft 31 der Reihe: Der GanzTag in NRW, Beiträge zur Qualitätsentwicklung.
Praxisbeispiele und Arbeitsmaterialien zur Partizipation in der Kommune finden sich z.B. in:
- DKJS – Gemeinnützige Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH Sachsen (Hrsg.) (2019): Demokratie in Kinderhand.
- Knauer/Aghamiri 2016 – Expertise zur Implementierung von Partizipation in Kitas (AWO)
- Aghamiri (2020): Handreichung für einen demokratischeren Übergang Kita-Schule (DPWV)
Weitere Informationen und Arbeitsmaterialien zu Partizipation und Demokratiebildung unter:
- Praxisportal Kinder- und Jugendbeteiligung (https://www.starkimland.de/)
- Der Kinder- und Jugendrat NRW (https://www.kijurat-nrw.de/de/)
- Die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung NRW (https://jugendbeteiligung-in-nrw.lwl.org/de/)
- Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. (https://sv-bildungswerk.de/)
- Servicestelle Jugendbeteiligung (https://www.servicestelle-jugendbeteiligung.de/)
- Das deutsche Kinderhilfswerk e.V. (https://www.dkhw.de/)
- Deutscher Kinderschutzbund (https://kinderschutzbund.de/)
- Bertelsmann Stiftung (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/startseite)
- Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (https://www.politische-bildung.nrw.de/)
- Landesjugendring NRW (https://www.ljr-nrw.de/)
(1) Haltung und Rolle der Erwachsenen
Die Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen betonen grundsätzlich eine pädagogisch-ethische Grundhaltung aller pädagogisch tätigen Personen: Sie fordern, sich wertschätzend den Kindern und Jugendlichen zuzuwenden und ihre Gefühle, Denkweisen und kognitiven Unterstützungsbedürfnisse und -bedarfe wahrzunehmen, „um geeignete pädagogische und didaktische Angebote zu gestalten und Entwicklungs- und Lernprozesse zu fördern“ (siehe Deutsches Institut für Menschenrechte 2017; 9). Diese Grundhaltung ist ebenfalls elementar, um partizipative Strukturen und/oder Projekte erfolgreich umzusetzen. Es bedeutet auch, dass die Erwachsenen die Kinder und Jugendlichen ernst nehmen, sie als Expertinnen und Experten für ihre Lebenswelt sehen und ihnen zutrauen müssen, dass sie mit Freiheiten umgehen und realistische Vorschläge machen können. Es bedeutet aber auch, dass es Erwachsene braucht, die in der Lage sind, Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen zwischen den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zuzulassen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Denn: Partizipation ist meist auch eine Interessen- und Entscheidungsabstimmung, die oft gegensätzliche Positionen, Konflikte bzw. Kontroversen und schließlich Kompromisse beinhaltet. Das macht Partizipationsprozesse nicht unbedingt zu „Wohlfühlveranstaltungen“. Dies auszuhalten und gleichzeitig konstruktiv zu gestalten ist aber ein wesentlicher Teil des Bildungsprozesses Partizipation (Züchner/Peyerl 2015: 41).
(2) Kind- und jugendgerechte Methoden [1]
Die Unterschiedlichkeit und auch der jeweilige Entwicklungsstand junger Menschen muss bei der Auswahl von Themen, Methoden und Unterstützungsleistungen berücksichtigt und teilweise flexibel angepasst werden (vgl. DKJS 2019: 25). Allen Kindern sollte unabhängig ihres Alters, sozialen Hintergrunds, ihrer Schulbildung, Nationalität, persönlichen Fähigkeiten und Grenzen, Partizipation und somit praktizierte Demokratiebildung ermöglicht werden. Mit Blick auf spezifische Benachteiligungsstrukturen bzw. -konstellationen sind entsprechende Angebote insbesondere auch für benachteiligte junge Menschen zu entwickeln (vgl. DKJS 2019: 25). Die Erwachsenen nehmen dabei eine begleitende Rolle ein und müssen sich (gerade bei jüngeren Kindern) die Zeit nehmen, die Wünsche und Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen anzuhören, auszudiskutieren und in einen realistischen Rahmen zu setzen. Dies bildet den Ausgangspunkt für demokratische Handlungsweisen. Neben der richtigen Methodenwahl ist möglicherweise die herausforderndste Aufgabe für pädagogisch Handelnde, die eigene Rolle in Partizipationsprozessen zu reflektieren, Kinder und Jugendliche als aktive Gestalter gewähren zu lassen und sich selbst zurückzunehmen, um tatsächliche Partizipationsprozesse zu ermöglichen (vgl. Züchner/Peyerl 2015: 41).
(3) Strukturen und Rahmenbedingungen
Aus dem Partizipationsrecht für Kinder und Jugendliche (s. Kap. 2.2) leitet sich für alle pädagogisch Handelnden (i.e.S. alle Erwachsenen) eine anwaltschaftliche Funktion ab. Sie sollten dafür Sorge tragen Partizipationsräume zu öffnen, Möglichkeiten aufzuspüren, Partizipationshürden abzubauen und Kinder und Jugendliche beim Aushandeln und der Umsetzung ihrer Partizipationsrechte zu unterstützen (vgl. Züchner/Peyerl 2015: 41). Oder kurz gesagt: Es braucht aktive Erwachsene, die als (Mit-)Verantwortliche Partizipation in der Schule ermöglichen. Aus dem Partizipationsrecht der Heranwachsenden ergibt sich andererseits aber auch die Notwendigkeit in den Institutionen und Organisationen verbindliche, strukturell verankerte Alltagsrechte und -orte zu schaffen, damit die Kinder und Jugendlichen nicht von der Anwaltschaft, nicht von dem ‚goodwill‘ der Erwachsenen abhängig bleiben. Auch die Organisation Ganztagsschule bietet nicht automatisch ein „Mehr“ an Partizipationsmöglichkeiten, solange diese nicht aktiv geschaffen werden. Aus dem ‚Mehr an Zeit‘ in Ganztagsschulen lässt sich kein Automatismus bzgl. der Realisierung partizipativer Strukturen und der Gewährung individueller Rechte ableiten. Vielmehr zeigt sich, dass auch an Ganztagsschulen nur erweiterte Partizipationsspielräume eingeräumt und genutzt werden, wenn Schulen explizit eine beteiligungsorientierte Schulkultur anstreben (vgl. Arnoldt/Steiner 2011).
Dabei ist die pädagogische Haltung und das wechselseitige Anerkennen spezifischer Rechte genauso wichtig, wie ein (situativ) angemessenes methodisches Werkzeug oder auch das Wissen darüber, wie sich Partizipationsstrukturen in der Schulpraxis implementieren lassen. Erwachsene müssen qualifiziert und über Mitwirkungsmöglichkeiten informiert sein. Dabei haben die Fachkräfte aus der Jugendhilfe den Vorteil, dass Partizipation eine der Leitprinzipien der Jugendhilfe ist, wie sie auch im SGB VIII festgeschrieben ist. Die multiprofessionelle bzw. ressortübergreifende Kooperation bietet hier demnach großes Potenzial.
[1] Beispiele Methodendatenbanken:
5. Partizipationspotential in der Ganztagsschule – Handlungsbereiche und partizipationsförderliche Strukturen
Partizipation in (Ganztags-)Schulen ist nicht widerspruchsfrei, denn Schule ist „aufgrund ihrer gesellschaftlichen und staatlichen Funktion (Bildung und Erziehung, aber auch Selektion und Zuweisung) kein frei zu gestaltender demokratischer Raum“ (Becker 2014: 16). Dennoch lassen sich in (Ganztags-)Schulen vielfältige (Handlungs-)Bereiche identifizieren, in denen Erwachsene ein Mehr an Partizipation wagen können und sollten. Wichtig ist hierbei im Dialog mit den Kindern/Jugendlichen Transparenz darüber zu schaffen, welche Partizipationsspielräume eröffnet werden und welche Bereiche wohlbegründet ausgenommen werden müssen. Dabei sollte bei der Eröffnung von Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen nicht nur auf naheliegende Erscheinungsformen der Partizipation – wie Schüler:innenvertretungen, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten bei Kursen und Angeboten etc. – geblickt werden. Gerade auch in wichtigen schulspezifischen Feldern, die häufig noch durch die schulischen Professionen selbst vorgegeben sind – wie die Gestaltung von Lehr-Lernsettings, der Arbeitsorganisation bis hin zu Bewertungsverfahren – lassen sich immens viele Bereiche identifizieren, die durch Kinder und Jugendliche verantwortlich im Dialog mit Erwachsenen und Peers mitgestaltet werden können. Die Übersicht in Abb. 1 (angelehnt an Becker 2014) erhebt hierbei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen hier erste Hinweise auf professionelle Handlungsbereiche gegeben werden, die durch verschiedenste Methoden und Ansätze Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit für Kinder und Jugendliche im Kontext der (Ganztags-)Schule erfahrbar machen können. Für ausführlichere Praxisbeschreibungen sei an dieser Stelle auf die Literatur der Serviceagentur „ganztägig lernen“ NRW [1] sowie der in den Fußnoten aufgeführten Links verwiesen.
(1) Lehr-/Lerninhalte, -formate und -materialien
Bildungsprozesse sind Selbstbildungsprozesse! Aus diesem bildungstheoretischen Paradigma lässt sich ableiten, dass „Schülerinnen und Schüler [..] in aller Konsequenz nur dann Subjekte ihres eigenen Bildungsprozesses sein [können, d. Verf.], wenn die Planung und Durchführung von Lernaufgaben sowie die Überprüfung der Ergebnisse teilweise oder ganz in ihren Händen liegt“ (Becker 2014: 55). Das Instrumentarium und die Ansätze, die Kinder- und Jugendliche zu Gestalterinnen und Gestaltern ihrer Bildungsprozesse machen, reicht von differenzierten Lernangeboten, die eine Auswahl ermöglichen, bis hin zu frei gestaltbaren Lernsettings, in denen die Professionen der Ganztagsschule die Rolle einer Lernbegleiterin oder eines Lernbegleiters einnehmen. Solche Settings erlauben bspw. die eigenständige Wahl der Arbeitsorganisation (Projekt-, Gruppen- oder Einzelarbeit), die selbstbestimmte Wahl der Arbeitsabläufe und Zeitorganisation (z.B. durch Wochen- und Monatspläne), die eigenständige Auswahl der Lehr-/Lernmaterialien (bspw. analoge/digitale Medien), die Wahl des Lernortes (in der Klasse, auf dem Schulhof, in schulischen Rückzugsräumen oder in außerschulischen Lernorten), bis hin zu selbstgewählten Themen und eigenständigen Aufgabendefinitionen (Berücksichtigung von Interessen, Begabungen, etc.). Diese Formen des selbstgesteuerten und interessengeleiteten Lernens, setzt Vertrauen in die Selbstorganisationskompetenz voraus. Gleichzeitig werden sie aber auch entwickelt und ausgebaut. In vielen Schulen wurden bspw. gute Erfahrungen mit (binnendifferenzierten) jahrgangsübergreifendem Lernen oder anderen offenen Lernformen, wie Stationenlernen und selbstgesteuerte Projektarbeit gemacht (Börner u.a. 2014: 56f.).
(2) Schulische Bewertungspraxen, Leistungsdefinitionen und -evaluation
Schulische Bewertungspraxen und Leistungsdefinitionen, wie bspw. die Notengebung, sind sensible Partizipationsbereiche, denn sie berühren Kernbereiche professioneller Handlungspraxen. Aber auch hier lassen sich Partizipationsspielräume erschließen, sofern Lehrkräfte dazu bereit sind mögliche konträre Meinungen zu Leistungsbeurteilungen zuzulassen, bzw. in einem ergebnisoffenen Diskussionsprozess einen Konsens herbeizuführen. Möglich sind hier dialogisch vereinbarte Zielvorgaben mit regelmäßigen (oder nach Bedarf der Kinder/Jugendlichen) Feedbacks zum Entwicklungs-/Leistungsstand durch Lehrkräfte und/oder andere schulische Akteure. Alternativ können auch Ansätze und Materialien zur Selbstbeurteilung (was habe ich schon geschafft, wo möchte ich noch hin?) bzw. zur Fremdbeurteilung durch Peers (z.B. eine Rückmeldung der Klasse/des Kurses) zum Einsatz kommen.
(3) Außerunterrichtliche Aktivitäten und Kooperationen
Neben den rein schulischen Partizipationsfeldern bietet die Ganztagsschule mit ihren außerunterrichtlichen Angeboten vielfältige weitere Partizipationspotenziale bzw. Bereiche, in denen Kinder und Jugendliche mitentscheiden können. Beispielsweise die Mitbestimmung und (echte) Wahlfreiheit bei der Schulverpflegung und außerunterrichtlichen Angeboten. In letzter Konsequenz schließt das auch die Entscheidung mit ein, mal nicht an einem Angebot teilzunehmen und stattdessen selbstbestimmt und selbstorganisiert Freiräume zu nutzen, die sich den Kindern und Jugendlichen im institutionellen Setting Ganztagsschule bieten. Darüber kann es auch bedeuten, dass man den Kindern bzw. Jugendlichen ein Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Anbieter:innen und Kooperationspartner:innen gewährt.
(4) Schulentwicklungsprozesse
In vielen (Ganztags-)Schulen ist es bereits Praxis Befragungen von Schüler:innen durchzuführen und die gewonnenen Erkenntnisse in Qualitätsentwicklungsprozesse einfließen zu lassen. Eine konsequente Form der Beteiligung bestünde darin, Kinder bzw. Jugendliche in allen Stufen und Prozessschritten innerschulischer Qualitätsentwicklung mit einzubinden. Beispielsweise sind sozialpädagogische Ansätze zur partizipativen Raum- und Flächengestaltung praxiserprobt und haben sich bei konsequenter Anwendung als für alle Seiten vorteilhafte Methoden [2] bewährt. Beispiel hierzu sind die „Erkundung der subjektiven Schulräume“ (Deinet/Derecik 2016; Deinet 2009) oder die Erfassung des (objektiven) Sozialraums, bspw. durch gemeinsame Sozialraumbegehungen und anschließender Visualisierung oder die Erkundung der (subjektiven) Lebenswelten durch die Erstellung von subjektiven Land- bzw. Schulkarten durch die Nadelmethode [3] (Deinet 2009).
Neben ‚(ganztags-)schulspezifischen Handlungsfeldern‘ in denen sich anlassbezogen oder situativ Partizipationsmöglichkeiten bieten, lassen sich partizipationsfördernde Strukturen benennen, die auf unterschiedlichen Ebenen der (Ganztags-)Schulen ansetzen. Dazu gehören bspw. Kinder-/Jugend- oder Schüler:innenparlamente, Klassenräte, Schüler:innenvertretungen, Klassensprecher:in und andere auf Dauer angelegte Repräsentationsformen und Mitbestimmungsgremien. Darüber hinaus gibt es partizipationsfördernde Ansätze, die tendenziell einen Projektcharakter haben und den pädagogischen Ansatz des Demokratielernens unterstützen. Dazu gehören bspw. (aus Eikel 2016):
- Service-Learning – Lernen durch Engagement [4]
- Ein Lehr-/Lernansatz, bei dem es vor allem um die Initiierung und Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement und aktiver Verantwortungsübernahme seitens der Kinder bzw. Jugendlichen geht. Im Zentrum stehen hierbei gemeinnützige, soziale oder umweltbezogene Themen, die mit curricularen, schulischen Inhalten verknüpft und meist in übergreifenden Arbeitsgruppen oder Klassenverbänden projektförmig bearbeitet werden.
- Deliberationsforum [5]
- Deliberation ist ein Ansatz zur politischen Meinungsbildung in dessen Verlauf kontroverse Themen diskursiv, durch abwägen und aushandeln bearbeitet werden. Als Ziel wird die Herstellung eines breiten, von einer demokratischen Mehrheit getragenen Konsens angestrebt. Im Kontext der (Ganztags-)Schule kann das Deliberationsforum als Lehr- und Lernsetting betrachtet werden, das prozesshaft die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven, Meinungen zu einem schulinternen oder gesellschaftspolitischen Thema als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit demokratischen Aushandlungsprozessen und -praxen ermöglicht und befördert.
- Zukunftswerkstätten [6]
- Ursprünglich ein Ansatz zur Bürgerbeteiligung in kommunalen Entwicklungsprozessen, um mit neuen und ungewöhnlichen Ideen Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden. Im Kontext der (Ganztags-)Schulen, Verfahren zur partizipativen Schulentwicklung.
- Betzavta – Miteinander
- Ein methodisch angeleitetes „Erziehungs- und Bildungskonzept zur Demokratie-, Toleranz- und Menschenrechtserziehung, das seine Wurzeln in der israelischen Friedensbewegung hat“ [7].
[1] https://www.ganztag-nrw.de/information/broschueren-ganztag-in-nrw/
[2] Ein Überblick zu Methoden für Sozialraumerkundungen und -analysen findet sich hier: https://www.sozialraum.de/methodenkoffer/
[3] Kinder/Jugendliche markieren auf einer Karte bspw. Orte oder Treffpunkte, an denen sie ihre Freizeit verbringen mit einer Nadel. So entsteht ein visuelles Abbild der Freizeitaktivitäten der Kinder/Jugendlichen und es gibt Hinweise, welche Angebote/Orte im Angebotsspektrum der Ganztagsschule anschlussfähig an die Lebenswelten der Kinder oder Jugendlichen sind. Weitere Informationen hier: https://www.sozialraum.de/nadelmethode.php
[4] Weitergehende Informationen bspw. hier: https://www.servicelearning.de/lernen-durch-engagement/was-ist-sevice-learning-lernen-durch-engagement
[5] Weitergehende Informationen bspw. hier: https://www.ganztaegig-lernen.de/deliberationsforum
[6] Weitergehende Informationen bspw. hier: https://www.buergergesellschaft.de/mitentscheiden/methoden-verfahren/visionen-entwickeln-zukunft-gestalten/zukunftswerkstatt
6. Resümée
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung ihrer Lebenswelt ist einfach und voraussetzungsvoll zugleich. Einfach, weil Kinder und Jugendliche sich leicht für Partizipationsprozesse begeistern lassen, wenn sie darin einen Sinn sehen und (Selbst-)Wirksamkeit erfahren. Gleichzeitig aber auch voraussetzungsvoll, da Partizipation im Grunde nicht verordnet werden kann, sondern von den verschiedenen Professionen gewollt, begleitet und getragen werden muss. Beteiligung bedeutet für die Erwachsenen insofern Entscheidungsmacht und Verantwortung abzugeben und zu teilen, in Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Wünschen von Kindern und Jugendlichen zu gehen und auch Kompromisse und vermeintliche Fehlentscheidungen mittragen zu können. Neben diesen offensichtlichen Herausforderungen liegt der Mehrwert aber ebenso auf der Hand. Als offene und pluralistisch verfasste Gesellschaft, muss ein allgemeines Interesse daran bestehen, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig demokratische Prinzipien erfahren und anwenden, um so über Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten in ihrer unmittelbaren Lebenswelt demokratische Prinzipien positiv wahrzunehmen. Darüber hinaus stärkt Beteiligung das Verantwortungsgefühl für das gemeinsam ausgehandelte Ergebnis und schafft Identifikation. Eine kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung heißt in diesem Zusammenhang nicht, dass alle Ideen und Wünsche der Kinder und Jugendlichen auch umgesetzt werden, vielmehr muss eine Entscheidung für oder gegen einen Sachverhalt in einem konsensualen Aushandlungsprozess inhaltlich begründet und nicht einfach verfügt werden. Partizipation in diesem Sinne setzt einen Dialog, Aushandlungsprozesse und eine wechselseitige Perspektivübernahme und Kompromissbereitschaft voraus, während es gleichzeitig eine Transparenz über die Grenzen der Partizipation geben muss.
Reflexionsfragen
- Kennen die Kinder/Jugendlichen unserer Schule zentrale Inhalte der UN-Kinderrechtskonvention?
- Weiß ich wie zufrieden die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule mit den Partizipationsmöglichkeiten sind?
- Was würden die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule sagen, wie häufig sie nach ihrer Meinung gefragt werden?
- Wann habe ich selbst zuletzt die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule nach ihren Interessen, Meinungen und Bedürfnissen gefragt?
- Weiß ich, wie ich die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule altersangemessen beteiligen kann?
- Welche Bereiche in unserer Ganztagsschule sind gemeinsam mit den Kindern/Jugendlichen zu gestalten und welche Aspekte grenzen wir wohlbegründet aus?
- Dürfen die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule nur bei einfachen bzw. organisatorischen Entscheidungsfindungen mitreden (z.B. Klassenraumgestaltung) oder auch bei elementaren Gestaltungsentscheidungen in unterrichtlichen (z.B. Themen, Methoden und Leistungsbeurteilung) und außerunterrichtlichen Angeboten (z.B. Auswahl der Angebote/ Anbieter/ Personen etc.)?
- Gehört die Beteiligung von Kindern/Jugendlichen an unserer Schule zur allgemein akzeptierten Schulkultur oder geht sowas eher von einzelnen Personen aus?
- Haben wir sporadische Beteiligungsmöglichkeiten (z.B. gelegentliche Umfragen) oder feste Partizipationsstrukturen in der Schule (z.B. Klassenrat, Schülerparlament.)?
- Haben wir ein Feedback oder Beschwerdesystem für Kinder/Jugendliche an unserer Schule? Können dies alle und jederzeit nutzen?
- Fragen wir die Kinder/Jugendlichen an unserer Schule, in welchen Bereichen sie partizipieren wollen?
Literaturverzeichnis
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Fachtext zum Kernthema Lebensweltorientierung: „Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen (an)erkennen“
Autor:innen: Sarah Spannruft, Nils Winkler
1. Kind- und Jugendorientierung bedeutet Lebensweltorientierung
Die Ganztagsschule stellt einen zentralen Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche dar (vgl. BMFSFJ 2013: 332). Die Adressat:innen der Ganztagsschule stammen aus unterschiedlichen Lebenswelten und haben spezifische Erfahrungen, Interessen, Kompetenzen und Ressourcen. Durch das „Mehr an Zeit“ (Hopf/Stecher 2014: 65), das in der Ganztagsschule verbracht wird, bringen Kinder und Jugendliche ebenso vermehrt ihre lebensweltlichen Erfahrungen ein.
Wenn von Ganztagsbildung die Rede ist, wird nicht selten das Merkmal der „Orientierung an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen“ herangezogen (vgl. Boßhammer et al. 2013: 32, 44, 49). Im gewählten Titel „Lebenswelten (an)erkennen“ soll deutlich werden, dass dies aus unserer Sicht zwei Aspekte beinhaltet. Zunächst geht es darum, dass pädagogisch Tätige dafür sensibilisiert sind, Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Lebenswelten wahrzunehmen. Das allein reicht im Sinne einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung jedoch nicht aus: Ein aktives Interesse an den Lebenswelten und deren Einbezug in den Lern- und Lebensort Ganztagsschule stehen für die lebensweltliche Öffnung der Ganztagsschule.
KERNBOTSCHAFT: Akteure in der Ganztagsbildung nehmen Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Lebenswelten wahr und beziehen diese in die Gestaltung von Bildungssettings ein.
2. Eine begriffliche Annäherung: Lebenswelt und Lebensweltorientierung
Die Lebenswelt kann als „das unhintergehbar subjektive Wirklichkeitskonstrukt eines Menschen“ (Kraus 2006: 126) beschrieben werden. Zum besseren Verständnis lässt sich der Begriff der Lebenslage abgrenzen, der die tatsächlichen „materiellen und immateriellen Lebensbedingungen eines Menschen“ (Kraus 2006: 126) beschreibt. In der Auseinandersetzung mit den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in der Ganztagsbildung muss es daher im ersten Schritt nicht um deren tatsächliche Lebensbedingungen, sondern um das Erkennen und Anerkennen subjektiv wahrgenommener Lebenswelten gehen.
Der Begriff Lebenswelt wird in diversen fachlichen Diskursen, aber auch in der Praxis, schon beinahe selbstverständlich benutzt, um eine Kombination aus z.B. der Lebenslage, der Lebenssituation und der Sozialisation von Menschen zu beschreiben. Das in diesem Beitrag angewandte Verständnis von Lebenswelt bezieht sich auf die Individualität von Menschen sowie deren persönliche Wahrnehmung ihres Lebens. Die Lebenswelt wird somit nicht von außen zugeschrieben, sondern kann nur durch ein Individuum selbst beschrieben werden.
Dass die Orientierung an den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen kein komplett neuer Ansatz in der Ganztagsbildung ist, zeigt die zunehmende Einbindung des Sozialraums (s. Kapitel Sozialraumorientierung), aber auch die Arbeit des Programms „Ganztägig bilden“ der letzten Jahre (www.ganztaegig-lernen.de). Bevor das Thema Lebenswelt im Kontext von Ganztagsbildung weiter diskutiert werden kann, ist es sinnvoll das Konzept der Lebensweltorientierung in der sozialen Arbeit zu erörtern. Vor dem Hintergrund, dass Ganztagsbildung an Schulen ein gemeinsames Projekt von Schule und sozialer Arbeit ist [1], sollte diese grundlegende Theorie sozialer Arbeit mit einbezogen werden (vgl. Schilling & Klus 2015: 143f.). In der sozialen Arbeit geht der Diskurs zu großen Teilen auf den Erziehungswissenschaftler Hans Thiersch zurück: „Das Konzept betont, dass der Ausgang aller Sozialen Arbeit in den alltäglichen Deutungs- und Handlungsmustern der AdressatInnen und in ihren Bewältigungsanstrengungen liegt“ (Thiersch 2015: 327). Es geht für pädagogisch Tätige darum, den Alltag von Kindern und Jugendlichen als den Ort zu verstehen, an dem sich deren Leben abspielt und an dem die an sie gestellten Anforderungen bewältigt werden müssen (vgl. Thiersch 2015: 335f.). Die subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit eines Menschen sollte respektiert und anerkannt werden. Kinder und Jugendliche haben Anspruch darauf, unterschiedlich zu sein und in dieser Unterschiedlichkeit Unterstützung zu erfahren (vgl. Thiersch 2015: 334). Im lebensweltorientierten Handeln sozialpädagogischer Einrichtungen wird Lebenswelt dementsprechend anerkannt, um dann in der pädagogischen Arbeit in Bezug zu tatsächlichen Lebenslagen gesetzt zu werden. In diesem notwendigen Schritt der Institutionalisierung müssen Hilfen sich daran messen, den Bezug zum Alltag der Adressatinnen und Adressaten nicht zu verlieren, um gemeinsam in Aushandlungsprozesse zu treten (vgl. Thiersch 2015: 341f.).
[1] Zum Begriff Ganztagsbildung siehe Eingangskapitel.
Lebensweltorientierung
Leitende Grundsätze der Sozialen Arbeit sind die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit (vgl. DBSH 2009: 7f.). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Lebenswelten bzw. den Alltag der Adressat:innen als Ausgangspunkt zu setzen, an welchen sich fachliches Handeln anschließt. Die Lebensweltorientierung ist ein Fachkonzept der sozialen Arbeit und gibt diesbezüglich Prinzipien für das professionelle Handeln von Fachkräften vor. Das Individuum und seine persönliche Erfahrungswelt werden in den Mittelpunkt gestellt. Während die Begriffe Lebenswelt und Alltag synonym für die subjektive Wahrnehmung eines jeden Menschen stehen, handelt es sich bei der Lebensweltorientierung um den institutionellen Zugang zu ebendiesen (vgl. Thiersch 2015: 341f.).
Im Gegensatz zu der gerade beschriebenen Anerkennung von Unterschiedlichkeit, orientiert sich Schule in ihrer sozialen Praxis und den verwendeten Lehrmitteln eher an Normvorstellungen der gesellschaftlichen Mitte (vgl. El-Mafaalani 2020: 163f.). Das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland ist historisch gewachsen und entsprach bei der Einführung „im Wesentlichen den politischen, ökonomischen und sozialen Statusinteressen einer Dreiklassengesellschaft“ (Becker 2014: o.S.). Der darauf basierende Auftrag, junge Menschen für bestimmte Berufe und gesellschaftliche Aufgaben vorzubereiten, zeigt sich auch heute noch in der Qualifikations-, Sozialisations-, Legitimations- und Selektionsfunktion des Bildungssystems. Im speziellen die Sozialisationsfunktion, also Kinder und Jugendliche in die bestehende Gesellschaft ein- und an deren Vorstellungen anzupassen, steht im Gegensatz zu den Prinzipien der Lebensweltorientierung (vgl. Becker 2014:). Mit Schüler:innen in Aushandlungsprozesse zu treten, deren Lebenswelten anzuerkennen und darauf einzugehen, scheint dementsprechend eine große Herausforderung darzustellen (vgl. Thomas & Calmbach 2013: 205). Die Prinzipien der Lebensweltorientierung lassen sich zwar auf das Feld der Ganztagsbildung nicht passgenau übertragen, können allerdings als Anregung für Fachkräfte verstanden werden, sich selbstkritisch und reflektiert mit dem eigenen Handeln und den vorhandenen Strukturen auseinanderzusetzen. Somit könnte im Rahmen institutioneller Aushandlungsprozesse unter der Berücksichtigung curricularer Vorgaben eine kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung umgesetzt werden.
Die für die Ausgestaltung von Ganztagsbildung relevanten Prinzipien der Lebensweltorientierung werden im Folgenden kurz skizziert. Nach dem Prinzip der Alltagsnähe sollte Ganztagsbildung nah an den Lebenswelten der Schüler:innen ausgerichtet werden. Dafür könnten Angebote, „die die lebensweltlichen Ressourcen in ihrem Eigensinn stützen und entwickeln“ (Thiersch 2015: 347) forciert werden. Das Prinzip der Sozialraumorientierung lässt sich in der Öffnung von Schule hin zum Nahraum teilweise wiederfinden [1]. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, die Lebenswelt im Sinne von gemachten Erfahrungen und zu meisternden Aufgaben im Sozialraum anzuerkennen und die Angebote daraufhin auszurichten (vgl. Thiersch 2015: 348). Das Prinzip der Inklusion basiert auf dem Konzept sozialer Inklusion [2]. Jeder Mensch muss in der Bewältigung seines Alltags Unterstützung erfahren, egal welchen Geschlechts, welcher sozialen Herkunft und/oder race und ob er ein Mensch mit Behinderung ist (vgl. Thiersch 2015: 349). Nach dem Prinzip der Partizipation sollten Kinder und Jugendliche in der Ganztagsbildung die Möglichkeit haben, einerseits ihren Alltag selbsttätig zu bewältigen und andererseits die Prinzipien demokratischen Handelns zu erlernen [3]. Die Möglichkeiten von Partizipation müssen dabei ausgehandelt und den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten gerecht werden (vgl. Thiersch 2015: 350).
KERNBOTSCHAFT: Das sozialwissenschaftliche Konzept der Lebensweltorientierung und seine Prinzipien der Alltagsnähe, Sozialraumorientierung, Inklusion und Partizipation bieten praxisnahe Ansätze zur Verwirklichung von lebensweltorientierter Ganztagsbildung.
[1] Es sei der Verweis auf den Fachtext Sozialraumorientierung gegeben.
[2] Zum Konzept sozialer Inklusion siehe auch Hilse-Carstensen et al. 2019: 16.
[3] Verwiesen sei auf den Fachtext Partizipation.
3. Was die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen ausmacht
Um greifbar zu machen, wie sich Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen gestalten, sollen verschiedene Merkmale empirisch beleuchtet und Beispiele aus dem Fachdiskurs genannt werden.
Lebenswelten sind auch dadurch gekennzeichnet, in welcher Umgebung sich Kinder und Jugendliche bewegen und in welche Art von Beziehung sie treten. Die Beziehungen im Rahmen der Lebenswelt können freundschaftlicher aber auch familiärer Art sein (vgl. Dalhaus 2011: 120f.). Freundschaften sind für das Wohlbefinden von Grundschülerkindern ein wichtiger Faktor (vgl. Andresen et al. 2018: 7). Der Freundeskreis kann eine existenzielle Bedeutung erlangen, denn soziale Beziehungen stellen vor allem im Jugendalter (neben der Familie) die wichtigste Werteorientierung dar (vgl. Bertelsmann Stiftung 2019: 40f.; vgl. Albert et al. 2019: 157). An erster Stelle der Freizeitaktivitäten von Jugendlichen stehen persönliche Treffen mit Freund:innen (vgl. mpfs 2018b: 11).
Zwar ist die außerfamiliäre institutionelle Betreuung in den letzten Jahren angestiegen, die Bedeutung der Familie bzw. der familiären Kontexte bleibt jedoch bestehen. Kinder und Jugendliche ordnen ihr Wohlbefinden im Rahmen der Familie, bei Freund:innen und im Wohnumfeld mehrheitlich hoch ein (vgl. Müthing 2020: 8; vgl. Albert et al. 2019: 136). Jugendliche schöpfen Halt und Sicherheit aus den Beziehungen zu ihren engen Verwandten (vgl. Albert et al. 2019: 105). Kinder wachsen in vielfältigen Familienkontexten auf, neben der klassischen Kernfamilie u.a. in der Alleinerziehenden-Familie sowie in Patchwork-Familien (vgl. Andresen et al. 2018: 1). Die Sozialisationsbedingungen im familiären Kontext sind relevante Aspekte, welche die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen unterschiedlich beeinflussen. Nicht zuletzt ist der Blick auf die soziokulturellen Tätigkeiten und Interessen von Kindern und Jugendlichen zu richten. Wie verbringen junge Menschen ihre (freie) Zeit? Welchen Hobbies gehen sie nach und inwiefern nutzen sie ihr Wohnumfeld? Der Alltag von Kindern ist unter anderem geprägt von sportlichen und kulturellen Tätigkeiten, sowohl innerhalb der Familie als auch an außerfamiliären Orten, wie zum Beispiel in Jugendkunstschulen und in Sportorganisationen (vgl. MFKJKS 2016: 20). Außerdem nutzen Kinder den öffentlichen Raum, wie Parkanlagen oder Wohngebiete, und verbringen dort selbstorganisiert ihre Freizeit (vgl. MFKJKS 2016). Zu beliebten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen zählen neben dem Treffen von Freund:innen die Nutzung von (digitalen) Medien (Musik hören, im Internet surfen, Serien schauen, soziale Medien nutzen etc.), Sport treiben, aber auch nichts tun/chillen und Bücher lesen (vgl. Albert et al. 2019: 214). Diese Freiräume, also Zeit außerhalb von institutionellen formalen und non-formalen Kontexten, sind besonders für Heranwachsende unverzichtbar. Das selbstbestimmte Agieren in öffentlichen aber auch digitalen Räumen eröffnet jungen Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen sowie Gelegenheiten für Sozialisationsprozesse in der Begegnung mit Peers (vgl. AGJ 2016).
Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sind heute auch Medienwelten. Nahezu alle Haushalte sind mit einer Vielzahl an Medien ausgestattet; Grundschulkinder nutzen mediale Angebote wie das Fernsehen, Streaming-Angebote oder kommunizieren via Social Media (vgl. mpfs 2018a: 84). Auch junge Menschen ab 12 Jahren wachsen in Haushalten auf, die mit einem breiten Medienrepertoire ausgestattet sind; Smartphone, Computer/Laptop und Internetzugang sind in fast allen Familien vorhanden. Das Internet bzw. das Smartphone als „Allzweckgerät“ (Albert et al. 2019: 322) werden in erster Linie zur Kommunikation, dicht gefolgt von Unterhaltung aber auch zur Informationsgewinnung genutzt (vgl. mpfs 2018b: 73). Die Digitalisierung verändert die Erfahrungen in vielen Lebensbereichen und bietet eine Vielzahl an neuen medialen Möglichkeiten, bis hin zu einer Augmentierung des Wirklichkeitsempfindens junger Menschen. Analoge und digitale Lebenswelten verschränken und verschmelzen zunehmend. Um einen Einblick in eine Lebenswelt zu erhalten, liegt es daher nahe, der Mediensozialisation sowie den digitalen Räumen der Kinder und Jugendlichen Beachtung zu schenken und ihre Potenziale für eine lebensweltorientierte Bildung zu heben.
Mit Blick auf Jugendliche werden im Rahmen der Jugendstudie des SINUS-Instituts sieben verschiedene Modelle von Lebenswelten erstellt (Traditionell-bürgerliche, Postmaterielle, Expeditive, Adaptiv-pragmatische, Experimentalisten, Konsum-Materialisten und Prekäre) (vgl. Calmbach et al. 2020: 45). Gemeinsam ist diesen sehr unterschiedlichen „Typen“ von Lebenswelten, dass soziale Werte wie Familie, Freund:innen, Treue sowie Toleranz hoch im Kurs stehen. Aber auch individualistische Absichten, wie Leistung und Selbstbestimmung sind den jungen Menschen allgemein wichtig. Weitere lebensweltspezifische Werte, die betont werden, sind zum Beispiel Tradition, Bildung, Diversity, Multikulturalismus und Kreativität (vgl. Calmbach et al. 2020: 30). Im Sinne der beschriebenen Individualität von Lebenswelten muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass sich Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen nicht kategorisieren lassen. Die Ergebnisse der Studie können daher lediglich eine Orientierung geben, welche Werte und Lebensstile aktuell die junge Generation prägen (können). Im Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW wird zusammenfassend für die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen betont, dass diese „offener, pluraler, individueller, vorläufiger“ (MFKJKS 2016: 56) werden. Lebenswelten sind nicht gleichbleibend, sondern verändern sich je nach Lebensalter und -situation. Das verlangt von pädagogisch Tätigen eine kontinuierliche Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber jedem einzelnen Kind und Jugendlichen.
KERNBOTSCHAFT: Bei der Erkundung von Lebenswelten sind z.B. soziale Beziehungen, Medienwelten, soziokulturelle Tätigkeiten und Interessen in den Blick zu nehmen. Die Lebenswelten sind vielfältig, verändern sich stetig und sind geprägt von diversen Wertvorstellungen.
4. Lebenswelten als Ressource wahrnehmen
Bildung als Kernelement von Schule orientiert sich spezifisch an einem „idealistische[n] Bildungsverständnis, welches durch akademische Vorstellungen von Bildung geprägt ist“ (Dalhaus 2011: 122). Das Prinzip von Leistung als grundlegendes Kriterium basiert in diesem Sinne auf den individuellen Fähigkeiten von Schüler:innen, jedoch unabhängig von ihrem lebensweltlichen Erfahrungswissen (vgl. Dalhaus 2011: 122). Sowohl in der Schule, als auch in der Lebenswelt werden notwendige Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags und gesellschaftlicher Anforderungen erlernt.
Das Verbinden bzw. der Einbezug von Lebenswelt in der Ganztagsbildung kann nach Dalhaus auf zwei Ebenen als gewinnbringend beschrieben werden: Im Bereich der sozialen Kompetenzen „werden soziale Fähigkeiten, z. B. anderen Menschen emotionale und materielle Hilfestellungen und Unterstützung anzubieten, entwickelt“ (Dalhaus 2011:127). Auf der personalen Ebene werden Kompetenzen „wie etwa die Fähigkeit, Handlungssituationen auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse hin wahrnehmen und beurteilen zu können, ausgebildet“ (Dalhaus 2011: 127).
Die Entwicklung dieser Kompetenzen in der Ganztagsbildung aufzugreifen, stellt ein kind- und jugendorientiertes Handeln und gleichzeitig eine Unterstützung zur Bearbeitung schulischer Anforderungen dar. Im Erlernen sozialer vor allem aber personaler Kompetenzen bieten sich durch das Sichtbarmachen von Lebenswelten Möglichkeiten, Reflexionsanlässe zu schaffen und Diversität zu unterstützen. Diese Überlegungen stehen unter der Prämisse, dass unabhängig von der institutionellen Einbettung durch den Ganztag, lebensweltliche Aspekte von Schüler:innen am Ort Ganztagsschule verstärkt hervortreten (vgl. Böhnisch 2018: 104). In der lebensweltorientierten Perspektive werden diese aufgezeigt und im Sinne einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung nutzbar gemacht. Durch den Einbezug von familiärem und soziokulturellem Erfahrungswissen, werden zum einen die Ressourcen der Schüler:innen genutzt und zum anderen die Vielfalt bzw. Diversität sichtbar gemacht. Eine solche Kontextualisierung kann sowohl Lehrkräften in der Ausgestaltung ihrer pädagogischen Tätigkeit helfen, als auch Schüler:innen einen Rahmen bieten, die eigenen Erfahrungen vor dem Kontext anderer zu reflektieren, um Verständnis zu schaffen und gleichzeitig Unterstützung in ebendieser Unterschiedlichkeit zu erfahren (vgl. Thiersch 2015: 334).
KERNBOTSCHAFT: Die Einbindung der Erfahrungen aus den lebensweltlichen Bereichen der Kinder und Jugendlichen trägt zur Stärkung personaler und sozialer Kompetenzen bei.
Des Weiteren verlagern sich auch Freundschaften und Peerkultur in den Raum Schule bzw. wirken sich auf die Ganztagsbildung aus (vgl. Lange 2014). Wissen über Gleichaltrigenkultur, Praktiken der Aneignung von analogen wie virtuellen Räumen und Peernetzwerken sind elementar zum besseren Verständnis der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen (vgl. Lange 2014: 152). Hier zeichnet sich ein doppelseitiger Nutzen ab; während das Fördern von Peerkultur am Ort Schule die Persönlichkeitsentwicklung unterstützt (vgl. ebd.: Lange 2014: 146ff.), können Lehrkräfte sich bspw. Peernetzwerke und Erfahrungswissen in Bezug auf Medienwelten in der kind- und jugendorientierten Gestaltung von Ganztagsbildung zu Nutzen machen. Freundschaftliche Beziehungen können zudem dazu beitragen, die emotionalen und sozialen Kompetenzen von Jugendlichen zu verbessern (vgl. Schmalfeld 2013). Auch für Kinder gilt, dass Freundschaften und Peer-Beziehungen im schulischen Kontext eine Sozialisationsfunktion einnehmen (vgl. Deinet et. al 2018:25).
5. Möglichkeiten der Öffnung von Ganztagsschule zu den Lebenswelten
Nachfolgend werden Umsetzungsideen und Strategien aus zwei lebensweltlichen Bereichen beschrieben. Es werden fachliche Anregungen und Praxisbeispiele skizziert sowie Materialien vorgestellt. Es gilt, die bereits beschriebenen Aspekte, wie zum Beispiel das Prinzip der Sozialraumorientierung oder der Alltagsnähe bei der Gestaltung lebensweltorientierter Ganztagsbildung zu beachten. Dafür können die im Ganztag Tätigen „vom ‚Rohstoff Realität‘ der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen ausgehen, […] den in sich heterogenen Eigen-Sinn der Heranwachsenden ernst nehmen, seine verdeckten Bedeutungen und Potentiale entschlüsseln und als Ausgangsbasis für Begleitung, Hilfen, Unterstützung und Veränderung produktiv machen.“ (Bolay & Iser 2016: 144)
5.1 Medienwelten
Medienwelten als Lebenswelten sind mit Blick auf die Lebensweltorientierung von Ganztagsbildung von besonderer Bedeutung. In der Folge sollten sowohl Aspekte der Medienkompetenz und -bildung sowie der Mediendidaktik besonders in einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung fest verankert werden (vgl. Hugger 2020: 734).
Ein Beispiel sind sogenannte peer-to-peer-Projekte, mit dem Ziel Medienkompetenz durch Kinder und Jugendliche selbst zu fördern [1]. Das Projekt Medienscouts stellt einen solchen Ansatz dar, in dem die Qualifikationen von Schüler:innen, z.B. in den Bereichen soziale Medien, Gaming oder soziales Lernen, genutzt und durch ausgewählte Formate in den Ganztag eingebunden werden. An einer ganztägigen Gesamtschule in Duisburg werden Medienscouts z.B. eingesetzt, um Unterrichtseinheiten für jüngere Schüler:innen durchzuführen [2].
Ein ganztägiges Gymnasium in Aachen zeigt, wie die Nutzung neuer Medien nicht nur Motivation und positive Lernerfolge entstehen lässt, sondern aktiv Medienwelten von Kindern und Jugendlichen mitgestaltet. Durch die Einführung von Videokonferenzen mit Partnerklassen im Sprachunterricht kann zum einen der Unterricht authentischer gestaltet werden und zum anderen gleichzeitig eine länderübergreifende Verknüpfung über soziale Medien gefördert werden [3].
Mit Blick auf diese Anforderungen lassen sich beispielhaft verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung beschreiben. Das Land NRW empfiehlt z.B. die Umsetzung des Medienkompetenzrahmens NRW. Alle Schulen in NRW sind außerdem verpflichtet ein schulinternes Medienkonzept zu erarbeiten; hierfür soll der Medienkompetenzrahmen die Grundlage bieten. In den einzelnen Bezirksregierungen angesiedelte Medienberater.innen können bei Bedarf sowohl auf der kommunalen Ebene wie auch auf der Einzelschulebene in Form von Beratung, Fortbildung oder auch Hilfe beim Aufbau von Netzwerken unterstützen [4].
Dabei sollten die Kinder und Jugendlichen als Expert:innen ihrer eigenen Lebenswelt sowie gleichzeitig als Expert:innen im Umgang mit digitalen Medien stets mit einbezogen werden. Im Besonderen der Umgang mit digitalen Medien bietet vielfältigste Möglichkeiten der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Umsetzung von Projekten und im Schulalltag.
[1] https://www.medienkompetenzportal-nrw.de/handlungsfelder/peer-to-peer-projekte.html
[3] https://www.youtube.com/watch?v=3ei9cXh65Jg
[4] https://medienkompetenzrahmen.nrw/medienkonzept/
5.2 Soziokulturelle Umwelt: Kulturelle Bildung
Befunde der Kindheits- und Jugendforschung zeigen, dass die kreative Beschäftigung in der Freizeit einen hohen Stellenwert für Kinder und Jugendliche hat (vgl. Gumz et al. 2019: 3).
Das Einbeziehen der soziokulturellen Umwelt von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von ganztägiger Bildung kann demnach über Projekte der kulturellen Bildung geschehen. Kulturelle Bildung bedeutet, „[…] sich kulturell auszudrücken und in der Welt zu platzieren, um sich als eigensinniges wie eigenständiges Subjekt zu präsentieren […]“ (Gumz et al. 2019: 3). Sie umfasst viele ästhetisch-künstlerische Ausdrucksformen (Musik, Literatur, Medien, Theater, Tanz, Bildende Kunst, Architektur, Film, Fotografie, Video, Spielpädagogik, Zirkusarbeit) (vgl. Stute/Wibbing 2014: 2).
Gelingensbedingung für die Entwicklung von Kulturprojekten kann die Kooperation mit Einrichtungen und Angeboten kultureller Bildung sein (vgl. Stute/Wibbing 2014: 12): Der Verein Aktion und Kultur mit Kindern e.V. gestaltet die Ganztagsangebote an der Duisburger Gemeinschaftsgrundschule Vennbruchstraße [1]. Das Konzept der Offenen Ganztagsschule versucht, kulturpädagogische Projektarbeit in der Schule zu etablieren, indem mehrwöchige Projektphasen zu einem Leitthema stattfinden. Ein Schuljahr steht unter einem Leitthema, dessen Teilaspekte und Inhalte sich in den einzelnen Spielangeboten, in künstlerischen Workshops und offenen Werkstätten wiederfinden. So werden Workshops zu Jahresthemen wie „Vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran – alles in Bewegung“ und „Analog & digital – vom Pinsel zum Pixel. Zwischen Urknall und Zukunftsmusik“ von Künstler:innen gemeinsam mit den Kindern durchgeführt und die Ergebnisse der Schulgemeinde vorgestellt.
Durch kulturpädagogische Arbeit kann ein kreativer Zugang zu Lebenswelten eröffnet und Vielfalt spielerisch sichtbar gemacht werden. Kinder und Jugendliche werden als Expert:innen ihrer Lebenswelt angesehen und können „eigene Handlungs-, Erfahrungs- und Deutungsspielräume in Bezug auf Kunst und Kultur“ (KMK 2013: 3) entwickeln. Kulturelle Bildung kann dabei sowohl im außerunterrichtlichen Bereich angesiedelt sein, z.B. als AG oder Projekt, aber auch im Unterricht integriert werden.
KERNBOTSCHAFT: Geeignete Kooperationen mit Bereichen aus der Kulturpädagogik ermöglichen einen kreativen Zugang zu soziokulturellen Tätigkeiten von Kindern und Jugendlichen.
Weiterführende Informationen und Materialien zum Thema Kulturelle Bildung sind:
- Das Landesprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen NRW“ [1]; unterstützt Schulen im gebundenen Ganztag dabei, kulturelle Bildung langfristig im Schulprogramm zu verstetigen.
- Das Sonderheft [2] „Kulturelle Bildung in der Schule“; zeigt auf, wie Ganztagsschulen mit Künstler:innen sowie (Jugend-)Kultureinrichtungen zusammenarbeiten.
- Zudem beleuchten zwei Werkbücher die kulturelle Bildung im Offenen Ganztag im Primarbereich sowie im gebundenen Ganztag in der Sekundarstufe [3].
- Auch ein kommunales Gesamtkonzept für kulturelle Bildung stellt die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in den Fokus, denn es geht um den Wohn- und Lebensort Kommune, also den sozialen Nahraum, in dem sich Kinder und Jugendliche bewegen. Hilfreiche Empfehlungen und Praxisbeispiele gibt das Themenheft der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW [4].
Möglichkeiten, sich in einer Kommune mit den Lebenswelten auseinanderzusetzen, also die Perspektive von jungen Menschen in die kommunale Ganztagsschulentwicklung einzubinden, bieten Formate wie Zukunftswerkstätten [5]. Es könnte in Erfahrung gebracht werden, ob Netzwerke oder Qualitätszirkel in der Kommune existieren, die sich mit der Weiterentwicklung von Ganztagsbildung beschäftigen. Um einen Zugang zu den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zu bekommen, bietet sich in diesem Kontext z.B. eine Einladung der Landesschüler:innenvertretung oder der jeweiligen (Landes) Jugendverbände und -ringe an.
[1] https://www.kulturellebildung-nrw.de/kulturagenten-nrw/
https://www.kulturellebildung-nrw.de/fileadmin/uploads/PDF_Werkb%C3%BCcher/WERKBUCH_05.02_Sek_I.pdf
[4] https://www.kulturellebildung-nrw.de/fileadmin/uploads/PDF_Themenhefte/Themenheft_KGK_Screen.pdf
6. Resümée
Im Grundlagenerlass [1] des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW wird betont, dass die Entwicklung der Persönlichkeit, der Selbst- und Sozialkompetenzen, der Fähigkeiten, Talente und Fertigkeiten im Rahmen von ganztägiger Bildung gestärkt werden sollen. Diese Ziele können durch das Einbeziehen der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sowie durch das Anerkennen von Unterschiedlichkeit erreicht werden, um Chancengerechtigkeit und eine kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung zu ermöglichen. Einen Einblick in die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zu bekommen, ist über verschiedene Bereiche möglich, zum Beispiel über das Kennenlernen sozialer Beziehungen und familiärer Konstellationen, über die soziokulturelle Umwelt und das Gestalten der freien Zeit oder über die Medienwelten und virtuellen Räume der jungen Menschen. Für Fachkräfte kann dies zunächst bedeuten, eigene Haltungen und Prinzipien zu hinterfragen und sich auf die Perspektive von Kindern und Jugendlichen einzulassen:
„Zum Konzept der lebensweltlichen Öffnung gehört […] die Veränderung des Rollenverständnisses, und dies bedeutet in Bezug auf Kinder und Jugendliche das Einbeziehen ihrer außerschulischen Interessen und Bedürfnisse und die Möglichkeit, ihnen eigenverantwortlich – auch im Rahmen der Ganztagsschule – nachgehen zu können“ (Steiner & Arnoldt 2012: 24).
In diesem Sinne ist auch die Bedeutung von Freiräumen im Kontext der Ganztagsschule nicht zu vernachlässigen [2]. Die Öffnung zu den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen kann zudem über die Kooperation mit außerschulischen Bildungsorten gelingen. Einrichtungen z.B. der Offenen Kinder- und Jugendarbeit verfügen über andere Zugänge zu ihrer Zielgruppe und können neue und andere non-formale und informelle Bildungsgelegenheiten schaffen, als es im schulpädagogisch gerahmten Setting möglich ist.
KERNBOTSCHAFT: Um in der Ganztagsbildung eine lebensweltliche Öffnung zu erreichen, ist es nötig, die eigene Haltung als Fachkraft zu hinterfragen, außerschulische Bildungsorte einzubinden und die Offenheit für Themen und Interessen von Kindern und Jugendlichen konzeptionell zu verankern.
Stehen das Wohlergehen und die förderliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen im Mittelpunkt, sollte das Interesse für die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen als Prämisse für die Gestaltung kind- und jugendorientierter Ganztagsbildung verstanden werden.
[1] Vgl. RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 23.12.2010 (ABl. NRW. 01/11 S. 38, berichtigt 02/11 S. 85): 12-63 Nr. 2 Gebundene und offene Ganztagsschulen sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote in Primarbereich und Sekundarstufe I
[2] Zur Bedeutung von Freiräumen siehe Fachtext zu formaler, non-formaler und informeller Bildung (Kap. 3.3)
Reflexionsfragen
- Haben wir uns mit dem Fachkonzept der Lebensweltorientierung und seinen Prinzipien auseinandergesetzt?
- Gehen wir mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch, um etwas über ihre Lebenswelten zu erfahren?
- Haben wir eine Vorstellung davon, wie das familiäre und soziale Umfeld von den Kindern und Jugendlichen an unserer GTS aussieht (Wohnsituation, Erziehungssituation, Geschwister, Gleichaltrige, etc.)?
- Kennen wir die Medienwelten, in denen sich die Kinder und Jugendlichen bewegen und beziehen wir diese in unsere Arbeit ein?
- Wissen wir, was den Kindern und Jugendlichen wichtig ist und welchen Freizeitbeschäftigungen sie nachgehen? Fördern wir die soziokulturellen Interessen der Kinder und Jugendlichen, z.B. durch kulturpädagogische Angebote?
- Fließt unser Wissen über die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in die Gestaltung von Unterricht und außerunterichtlichen Angeboten ein?
- Nutzen wir unser Wissen über die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen zur konzeptionellen Weiterentwicklung unserer Ganztagschule?
Literaturverzeichnis
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Fachtext zum Kernthema Sozialraumorientierung: „Sozialraumorientierung in der Ganztagsschule: konkrete erste Schritte“
Autor:innen: Sarah Spannruft, Malte Vossiek, Nils Winkler
1. Der Sozialraum als Lern- und Lebenswelt
Um aufzuzeigen, wie die Sozialraumorientierung das pädagogische Profil der Ganztagsbildung im Kontext einer Ganztagsschule konkret erweitern kann, wird im Folgenden ein fiktiver Entwicklungsprozess einer Ganztagsschule beschrieben, in der sich die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte dem Thema Sozialraumorientierung annähern. Die Leser:innen können so verfolgen, wie ein Vorgehen in der Praxis verlaufen könnte und Ansätze auf ihre Ganztagsgrundschule bzw. ihre Ganztagsschulpraxis einer weiterführenden Schulform beziehen. Abwechselnd zu dieser fiktiven Praxis folgen theoretische Ausführungen zu verschiedenen Aspekten der Sozialraumorientierung. Dieses exemplarische Vorgehen verbindet theoretische Begründungslinien entlang idealtypischer praktischer Umsetzungs- und Alltagsfragen. So soll dieser Text drei Funktionen erfüllen: Er soll (1) zur Begriffsschärfung im genannten Kontext beitragen und (2) über die Frage danach, was eine Orientierung am Sozialraum den Kindern und Jugendlichen „bringen“ kann (3) konkrete praktische Implementierungsgelegenheiten für Ganztagsschulen herleiten.
Eine Ganztagsschule befindet sich in einem Schulentwicklungsprozess und hat auf diesem Wege festgestellt, dass viele Lehr- und Fachkräfte zu Ihrer Arbeitsstelle – der Schule – pendeln, sich wenig im Stadtteil auskennen und oft nicht wissen, wovon die Kinder und Jugendlichen sprechen, wenn sie aus ihrem Alltag erzählen. Deswegen setzt sich das Team aus Schulleitung, Ganztagsleitung, Lehr- und Fachkräften der Ganztagsschule und derSchulsozialarbeit ein gemeinsames Ziel: „Wir möchten die Bedarfe und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen wahrnehmen, um ihren Alltag besser zu verstehen.“ In der Überlegung, wie sie Kenntnis über Lebensbedingungen und Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen erlangen können, stoßen die Schul- und Ganztagsleitung in der Recherche auf das Konzept der Sozialraumorientierung.
Zunächst stellt sich also die Frage, was unter dem Sozialraum zu verstehen ist. Ohne die wissenschaftliche Diskussion um den Begriff des Sozialraums hier ausführlich wiederzugeben (s. hierzu Brüschweiler/Falkenreck 2019), lohnt sich ein Blick auf die Facetten dieses vielschichtigen Begriffs. Denn auch der Versuch eines praktischen Zugangs zum Sozialraum kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Definition nicht ganz einfach ist. Wehmeyer beschreibt ihn als „örtliche, regionale und institutionelle Struktur eines Ortes, an dem Subjekte agieren und interagieren“ (2013: 49). Hiermit wird der starre Raumbegriff um kulturelle und soziale Aspekte erweitert und es wird deutlich, dass Raum und Mensch aufeinander wirken und voneinander geprägt werden. „Die Sozialraumperspektive befasst sich nicht primär mit den Objekten, also den „Orten“ und „Plätzen“, sondern mit den sozialen Verhältnissen, die den Raum konstruieren, den Beziehungen, sozialen Verhältnissen und Interaktionen im Raum“ (Wehmeyer 2013: 50). Hierüber öffnet sich auch ein Blick auf die verschieden verteilten Möglichkeiten, Räume (mit) zu gestalten und zu prägen: Wer wird wahrgenommen? Wessen Gestaltungsversuche werden als legitim und gewinnbringend anerkannt –und wer wird ausgeschlossen (vgl. Kessl/Maurer 2019: 178)? Somit muss auch das Verständnis des Sozialraums aus einer machtkritischen Perspektive betrachtet werden (hierzu ausführlich Kessl/Reutlinger 2019). Das Verhalten von Kindern und Jugendlichen in Bezug zu Räumen und der Aneignung dieser, sagt etwas über Kinder und Jugendliche aus. Das ist bspw. wahrzunehmen in dem eigenständigen (Um)Gestalten von Räumen (z.B. durch Graffiti) oder der Wahl des Raumes (z.B. Treffen an verbindenden Orten, auch digital). All dies sagt bei genauerer Betrachtung viel über die handelnden Kinder und Jugendlichen aus. Um hier über die Sensibilisierung für und die Analyse von sozialräumlicher Konstituierung auf die Ganztagsbildung schließen zu können, wird Sozialraum als gestaltbare „Lebens- und Lernwelt“ (vgl. Grimm/Deinet 2008: 8) – als Ressource – begriffen.
Sozialraum als Lebens- und Lernwelt unterstreicht, dass Kinder und Jugendliche sich ihren Sozialraum aneignen, sich in ihrer Umwelt alltagsnah bilden: Gezielt und begleitet oder unbewusst.
2. Öffnung von Schule
Der Raum lässt sich nicht vom sozialen Geschehen trennen, ist mit ihm verwoben und wird durch die in ihm handelnden Menschen angeeignet und ausgestaltet (vgl. Löw 2001: 264). Für die Konzipierung einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung über die „Öffnung von Schule” (Grimm/Deinet 2008: 4) hin zu ihrem Umfeld, heißt das zunächst einmal, sich stärker auf die Kinder und Jugendlichen zu beziehen, um sich dann an ihrem Sozialraum orientieren zu können: „Man versteht grundsätzlich unter Sozialraumorientierung in der Schule und Jugendhilfe auch die konzeptionelle Ausrichtung von Angeboten […] an den Bedarfen, Bedürfnissen, Lebensbedingungen und den Ressourcen von Kindern und Jugendlichen in Stadtteil und Schule“ (Deinet/Grimm 2008: 4).
Öffnung von Schule meint die Hinwendung von Schule zu ihrer Umwelt und das Einlassen der Umwelt in die Schule, bspw. über außerschulische Lernorte oder Kooperationspartner.
Der Einbezug von Orten, die für Kinder und Jugendliche wichtig sind, sie prägen und auch von ihnen geprägt werden, mitzudenken, ist ein wichtiger Schritt zur Anerkennung kindlicher und jugendlicher Lebensrealität. Denn die Orte und Räume, die Kinder und Jugendliche vorfinden, bieten ihnen bestenfalls vielfältige und anregungsreiche Bedingungen um sich (informell) situativ und interessengeleitet bilden zu können. Der Blick über die sprichwörtlichen Schulmauern einer Ganztagsschule hinaus, kann „Möglichkeitsräume“ (Deinet 2014a: o.S.) für Kinder und Jugendliche freilegen, in denen sie z.B. neue Verhaltensweisen erproben können, sich selbst in unbekannten Situationen erfahren und sich im sozialen Gefüge positionieren. Die Kooperation einer Ganztagsschule mit und die Nutzung von Angeboten der Offenen Kinder- und Jugendarbeit im Stadtteil bspw. bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern, in dem es möglich wird, interessengeleitet z.B. sprachliche und motorische Kompetenzen (weiter) zu entwickeln. Z.B. dann, wenn Kinder und Jugendliche in diesen Räumen und an diesen Orten in interkulturellen Austausch kommen, eine (neue) Sportart ausprobieren oder sich für (neue) Themen aus ihrer direkten Lebenswelt begeistern. Finden diese Themen dann Eingang in die Gestaltung von Ganztagsschule (z.B. über offene Angebote), ist ein erster konkreter Schritt hin zum sozialräumlichen Arbeiten einer Ganztagsschule in dem Verständnis einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung getan.
KERNBOTSCHAFT: Sozialraumorientierte Ganztagsbildung bedeutet, die individuelle Sicht von Kindern und Jugendlichen auf deren Handlungs- und Erfahrungsräume zu erkunden und in Konzeptionen einzubeziehen.
3. Begriffsbestimmungen zum Sozialraum
Die verschiedenen tätigen Professionen an der Ganztagsschule sind sich in der Auslegung und der Praxistauglichkeit der Sozialraumorientierung uneins. Nach der Recherche verbinden die Beteiligten mit dem Begriff verschiedene Vorstellungen, die von einem reinen Analyseinstrument bis hin zum Sozialraum als Planungsgröße für Budgetierung von Leistungen der Jugendhilfe oder die reine Suche nach außerschulischen Bildungsorten meint. Deswegen wird auch Kritik an dem „schwammigen“ Begriff laut, der in der Praxis wenig tauge. Das Ganztagsschul-Team einigt sich darauf, in Kleingruppen zu verschiedenen Interpretationen der Sozialraumorientierung zu arbeiten und trägt die Ergebnisse zusammen. Hierbei werden besonders vier Auslegungen deutlich:
Das Verständnis sowie die Arbeit mit dem Begriff Sozialraum stellen sich in verschiedenen Zugängen unterschiedlich dar. Zur Einordnung sollen hier in Anlehnung an Spatscheck (2009), besonders vier Lesarten voneinander abgegrenzt werden:
- Sozialraumorientierung als „Instrument“ zur Bereitstellung und Budgetierung von Leistungen der sozialen Arbeit (z.B. Jugendhilfeplanung).
- Sozialraumorientierung als sozialgeographischer Erfassungsrahmen für besondere Bedarfe eines Stadtteils, der sich auf die Stadtteilentwicklung auswirkt (z.B. das ESF-Projekt „Soziale Stadt”).
- Sozialraumorientierung als eigenständiges Fachkonzept zur verbesserten Steuerung von Angeboten in Wohngebieten
- Sozialraumorientierung als Wahrnehmen der subjektiven Lebenswelt und Sozialraum als gestaltbarer Aneignungs- und Bildungsraum von Kindern und Jugendlichen, in dem Lernprozesse stattfinden und (Partizipations-)Erfahrungen gemacht werden können.
Hier wird deutlich, dass der Sozialraum ebenso über eine Verwaltungslogik wie auch über eine Akteur:innenperspektive gebildet werden kann, die sich durchaus widersprechen können. Die Akteur:innenperspektive bietet einen praktischen Zugang zur subjektorientierten Ganztagsbildung im Kontext von Ganztagsschule.
KERNBOTSCHAFT: Der Sozialraum sollte im Kontext von Ganztagsbildung aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen heraus betrachtet werden und damit die subjektiven Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in den Fokus gerückt werden.
4. Sozialraum und Lebenswelten
Hierbei ist die Ganztagsschule aktiver Akteur in den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen und wird so selbst zu einem höchst relevanten Sozialraum, der auf Kinder und Jugendliche wirkt und den sie selbst mitgestalten.
Das Team erkennt besonders in der Definition einen Mehrwert, in welcher der Sozialraum aus der Akteur:innenperspektive als Lern- und Lebenswelt beschrieben wird. So wird es dem Team möglich, Kinder und Jugendliche ganzheitlich, über die Rolle ihres Schüler:innenseins hinaus, in ihren lebensweltlichen Kontexten wahrzunehmen. Wichtig ist, darin stimmt das Team überein, den Ansatz mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen zu verstehen, denn nur so wird er für ihre Ganztagsschulpraxis bedeutungsvoll und alle Beteiligten können einen Sinn darin erkennen, sich mit der Sozialraumorientierung auseinander zu setzen. Wie lässt sich der Sozialraum von Kindern und Jugendlichen also greifen und welche Ansätze eignen sich hierzu?
Neben privaten Räumen nutzen Kinder und vor allem Jugendliche öffentliche Räume in ihrem alltäglichen Leben. Der 15. Kinder- und Jugendbericht differenziert grundlegend nach (nicht institutionalisierten) „öffentlichen Räumen (öffentliche Plätze, […], Parks, Spielplätze, […] etc.), öffentlich zugänglichen verhäuslichten [halböffentlichen] Räumen ([…] Shopping Malls, Bahnhöfe etc.) sowie institutionalisierten öffentlichen Räumen (Sportanlagen, Vereinsräume, […] etc.)“ (Nissen 1998, zitiert nach BMFSFJ 2018: 251). Hierbei sind deutliche Unterschiede zwischen ländlichem und städtischem Raum erkennbar und es sollte Beachtung finden, dass die Nutzung von Räumen je nach Altersgruppe stark variieren kann (vgl. BMFSJ 2018: 255ff.). Zu den Orten des alltäglichen Nutzens und der Aneignung von Kindern und Jugendliche zählen darüber hinaus auch virtuelle Räume als Teil des sozialen Nahraums (vgl. Tillmann 2014: 273).
Virtuelle Räume sind durch die Digitalisierung geschaffene nicht materielle Räume der privaten oder öffentlichen Kommunikation. Sie sind Sozialräume die Kinder und Jugendliche jederzeit betreten oder verlassen können (vgl. Tillmann 2014: 273).Definition: Der soziale Nahraum beschreibt das direkte soziale Umfeld eines Kindes oder Jugendlichen in dem sie:er sich tagtäglich bewegt.
Der soziale Nahraum beschreibt das direkte soziale Umfeld eines Kindes oder Jugendlichen in dem sie/er sich tagtäglich bewegt.
Für die subjektorientierte Öffnung zum Sozialraum gilt grundlegend:
„Sozialräumliche Ansätze und Strategien beziehen sich […] einerseits auf Orte, an denen Kinder und Jugendliche leben und aufwachsen, und andererseits auf die an diesen Orten sich spiegelnden und manifestierenden sozialen Verhältnisse und ihre Wirkungen auf die Bewohner(innen) und Nutzer(innen) dieser Orte.“ (Mack 2020: 1316)
Die Sozialraumorientierung richtet sich aber nicht nur an bestehenden Räumen und deren sozialen Konstruktionen aus, sondern betrachtet Kinder und Jugendliche als aktive Gestalter:innen der ihnen zu Verfügung stehenden Räume. Um zu verstehen, wie der Sozialraum mit der Entwicklung und den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zusammenhängt, wurden verschiedene Modelle erstellt. Eines davon ist das Zonenmodell von Dieter Baacke (vgl. Deinet 2009a: 42). Nach diesem eignen sich Kinder und Jugendliche ihre Umwelt in immer größeren Zonen an. Damit erweitern sie auch ihren Handlungs- und Erfahrungsraum und erschließen nach und nach weitere Teile ihres persönlichen Sozialraumes. Als Zentrum werden die Familie und das Zuhause beschrieben, der sogenannte ökologische Nahraum sind die Nachbarschaft oder das Stadtviertel bis hin zur Zone der gelegentlichen Kontakte, wie zum Beispiel Freizeitfahrten. Trotz des weiterhin bestehenden Mehrwertes dieses Modells, ist es nicht mehr uneingeschränkt anwendbar auf heutige Lebensrealitäten. Durch veränderte Sozialisationsbedingungen und neue (digitale) Kommunikationsformen werden tradierte Vorstellungen von Raum oft aufgelöst (vgl. Deinet 2014b: 63).
Ein weiteres Modell stammt von Helga Zeiher, welches die Raumaneignung als eine Verinselung von Lebenswelten beschreibt (vgl. Grimm/Deinet 2008: 5). Das Modell wurde ursprünglich für das Leben in der Großstadt entwickelt, eignet sich aber auch, um Strukturen im ländlichen Raum zu beschreiben, (vgl. Grimm/Deinet 2008). Denn in ländlichen Räumen findet sich die beschriebene Distanz der Inseln untereinander auch häufig in den tatsächlichen lokalen Gegebenheiten wieder. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass der Wohnort die zentrale Insel bildet, von welcher aus sich Kinder und Jugendliche weitere Bereiche ihrer Umwelt einzeln erschließen. Als Inseln können zum Beispiel die Verwandtschaft, das Jugendzentrum, die Schule oder Orte in der Innenstadt beschrieben werden. Die Bereiche sind räumlich nicht miteinander verbunden, daher ist eine Form von Mobilität (z.B. öffentliche Verkehrsmittel, Fahrdienst der Eltern) nötig, um sich diese anzueignen.
Die beiden skizzierten Modelle zeigen anschaulich, wie sich die Erweiterung und Aneignung von Räumen durch Kinder und Jugendliche gestalten kann. Sie können – wenn auch nicht vollumfänglich – als Orientierung dienen, um sich mögliche analoge wie digitale Erfahrungsbereiche und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zu erschließen. Eine Ausgrenzung „virtueller Kommunikationswelten“ (Tillmann 2014: 274) würde relevante Räume von Kindern und Jugendlichen vernachlässigen. Auch die virtuellen Räume werden von Kindern und Jugendlichen als Teil ihrer Lebenswelt wahrgenommen (vgl. Alfert 2018: 530) und sollten daher im Verständnis des Sozialraumes nicht außer Acht gelassen werden.
KERNBOTSCHAFT: Sozialräume werden von Kindern und Jugendlichen, unabhängig ihres Alters, aktiv (mit)gestaltet.
Die Eindrücke aus der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sind so vielfältig wie die Lebenswelten selbst; dabei erübrigt sich im Empfinden eines Großteils junger Menschen die Trennung in analoge oder digitale Lebenswelten, da sie zunehmend ineinandergreifen und verschmelzen.
Das Team hat sich mit den konkreten Erklärungsmodellen und Ansätzen zur Sozialraumaneignung auseinandergesetzt und nun eine Vorstellung davon, was unter den Sozialräumen von Kindern und Jugendlichen zu verstehen ist und wie vielfältig sie gestaltet sein können. Die Lehr- und Fachkräfte konnten anhand der Modelle erkennen, dass spezifische Räume, wie zum Beispiel die Bushaltestelle, das Jugendzentrum, das Zuhause oder der Schulweg ganz unterschiedlich wahrgenommen und genutzt werden. Ihnen ist bewusst, dass nicht allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Erfahrungsräume zur Verfügung stehen und Räume einem Wandel unterzogen sind. Sie finden auch bereits Beispiele für Schüler:innen ihrer Ganztagsschule: Einige Jugendliche bewegen sich in digitalen Lebenswelten, v.a. social media (wie Instagram, youtube, Tiktok), haben allerdings auch den Schulhof ihrer Ganztagsschule zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Freizeit umfunktioniert. Hier verbringen sie viel Zeit – und hier verbinden sich auch digitale und analoge Lebenswelten.
5. Die Ressourcen im Sozialraum nutzen
Schule und besonders die Ganztagschule selbst sind Teil des Sozialraums. Auch Familie, Peergruppentreffen, die Arbeit von Vereinen usw. finden verstärkt am Ort Schule statt und „soziale Bezüge [entfalten sich] in ihr selbst“ (Böhnisch 2019: 13). Mit der Öffnung zum Nahraum bzw. der Orientierung am Sozialraum ist grundlegend verbunden anzuerkennen, dass Schule und Ganztagsbildung Teile des Sozialraums sind und beide Aspekte nicht voneinander getrennt betrachtet werden können (vgl. Böhnisch 2019: 13). Wird der Sozialraum als Lebenswelt begriffen, werden Kinder und Jugendliche von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften über ihre Rolle als Schüler:in hinaus wahrgenommen. Es rücken die Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt und es entsteht ein Rahmen, in dem lebensweltliche Erfahrungen für Lehr- und Fachkräfte sichtbar und greifbar werden.
Das Erschließen von Ressourcen von Kindern und Jugendlichen ist zentraler Aspekt der Sozialraumorientierung. Wenn Ganztagsschule an dem ansetzt, was Kinder und Jugendliche interessiert, betrifft und motiviert, kann Kindern und Jugendlichen die Einnahme einer aktiv mitgestaltenden Rolle im Ganztagsschulalltag ermöglicht werden (vgl. Spatscheck 2014: 115ff.).
6. Akteure und Kooperationen im Sozialraum
Nachdem das Team sich grundlegend über seine Auffassung von sozialräumlicher Arbeit verständigt hat, möchten es beginnen, den Sozialraum von Kindern und Jugendlichen ihrer Ganztagsschule zu erforschen. Dafür erstellen die Lehr- und Fachkräfte gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen eine Übersicht darüber, welche Orte in ihrem Nahraum ihnen wichtig sind, welche Institutionen und Einrichtungen sie besuchen. Im Team tauschen sie sich über mögliche Kooperationspartner in der Umgebung aus. Das Team möchte hierüber auch eruieren, an welchen Bildungsnetzwerken es sich beteiligen kann. Während dieser Entwicklungen wird den Beteiligten bewusst, dass sie sich bereits auf den Weg zur sozialräumlichen Arbeit begeben haben, denn Sozialraumorientierung ist ein fortlaufender Prozess, der seinen Anfang in der Auseinandersetzung mit ihm findet.
Um den beschriebenen Anforderungen an eine Sozialraumorientierung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, Kooperationspartner und Netzwerke im Sozialraum zu erschließen. Denn, um das Ziel zu erreichen, eine an den Lebenswelten und dem Sozialraum orientierte pädagogische Arbeit in der Ganztagsbildung zu ermöglichen, ist die Ganztagsschule auf die Perspektive und die Kenntnisse weiterer Partner angewiesen (vgl. Wehmeyer 2020: 136). Das Gewinnen verlässlicher Kooperationspartner ist notwendig, um eine sozialräumliche Ausrichtung und die konstante Arbeit im Sozialraum zu ermöglichen. Dabei gilt es zuerst Rahmenbedingungen zu vereinbaren, Zuständigkeiten abzustecken und eine gemeinsame Idee dazu zu entwickeln, was für die Kinder und Jugendlichen des Stadtteils, der Stadt bzw. des Dorfes von Belang ist. Hierüber kann eine Zusammenarbeit entwickelt werden, die konsequent Querschnittsthemen von Kindern und Jugendlichen zum Anlass ihrer Kooperation nimmt und nicht bspw. (nur) organisatorische, institutionelle Angelegenheiten. Zur Ausgestaltung von Kooperation im Ganztag bietet die Broschüre „Kooperationen vereinbaren – Eine Arbeitshilfe zur Entwicklung von Kooperationsvereinbarungen im Ganztag der Sekundarstufe I“ [1] der SAG NRW eine Unterstützung.
Den Zugang zu Netzwerken im Sozialraum der Ganztagsschule und den ersten Kontakt zu möglichen Partnern für Ganztagsschulen, können unter anderem „Kommunale Qualitätszirkel“ schaffen. Diese Qualitätszirkel setzen sich i.d.R. aus schulischen und kommunalen Vertreter:innen, Vertreter:innen der OGS-Träger sowie weiteren Akteur:innen des Ganztags zusammen. Die Zusammenarbeit dient generell der Qualitätsentwicklung von Ganztagsschulen in einer Kommune [2]. In der Kommunikation mit Akteur:innen aus dem Sozialraum können aber auch wichtige Themen aus diesem heraus behandelt werden. Hier entsteht die Möglichkeit, das was Kinder und Jugendliche bewegt, über Institutionen hinaus zu kommunizieren. Es können Querschnittsthemen und Interessen der Kinder und Jugendlichen aus ihrem Sozialraum aufgenommen werden und bspw. abgestimmte Angebote geschaffen werden, die konkrete Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen aufgreifen. Hierzu sollte der Qualitätszirkel die sozialräumliche Struktur widerspiegeln, also außerschulische Bildungsorte und -partner mitdenken und Zusammenarbeit anregen (vgl. Heinrich/Lepers 2014: 63).
Als weitere Möglichkeit der vernetzten Zusammenarbeit sind die regionalen Bildungsnetzwerke NRW zu nennen, die dabei unterstützen, „verlässliche Kommunikations- und Kooperationsstrukturen“ (Stern/Reichel 2014: 16) in kreisfreien Städten und Kreisen aufzubauen. Ausgewiesenes Ziel ist es, dass alle Bildungspartner in der kreisfreien Stadt oder dem Kreis voneinander wissen [3]. Die regionalen Bildungsnetzwerke sind ein Beispiel dafür, wie über die (Ganztags-)Schule hinaus, auf kommunaler Ebene gemeinsam Bildungslandschaften gestaltet werden können [4].
Bildungslandschaften entstehen, wenn in einer Kommune/in einem Sozialraum die im Bildungsbereich tätigen Akteur:innen (z.B. Schulen, Jugendhilfe, soziokulturelle Einrichtungen, Vereine, usw.) zusammenarbeiten, um mehr Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu schaffen.
Das Konzept der Bildungslandschaft lässt sich „auf der Grundlage der Kooperation von Bildungseinrichtungen in einem Planungsraum“ (Deinet 2020: 1301) beschreiben. Bildungslandschaften beziehen Orte non-formaler und informeller Bildung ein (vgl. Deinet 2020: 1302), also auch solche die ggfs. aus der Perspektive erwachsener Akteur:innen zunächst nicht als explizite Bildungsorte wahrgenommen werden, wie bspw. Skatehallen mit kulturellem Angebot. Die Ganztagschule als Teil der Bildungslandschaft soll dabei verstanden werden als ein Ausgangspunkt von Bildung, der sich als Bildungsort zum Sozialraum hin öffnet und im Sinne eines erweiterten Bildungsbegriffes sowie einer „Grundausrichtung hin zu den Lebenswelten der im Sozialraum lebenden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen“ (Brüschweiler/Falkenreck 2019: 425) agiert. Die Schule ist in ihren Eigenschaften ein überaus wichtiger Teil der Bildungslandschaft. In einer sozialräumlich orientierten Bildungslandschaft spielen allerdings nicht nur schulische Einrichtungen, sondern besonders die Kinder- und Jugendhilfe eine bedeutsame Rolle (vgl. Deinet 2010: o.S.). Insgesamt können „Institutionen und Initiativen aus den Bereichen Bildung, Jugend, Soziales, Wirtschaft, Kultur, Gesundheit, Sport, unter Einbezug gesellschaftlicher Gruppen und Verbände, Gewerkschaften, Kirchen und Vereine“ (Mack 2020: 1312) wichtige Partner sein. In der sozialräumlichen Bildungslandschaft finden demnach der „Subjektbezug und die Orientierung an den Bedürfnissen der AdressatInnen“, „die individuellen Bildungsbiografien“, „die Erleichterung bildungsbiografischer Übergänge“ (Heinrich 2020: 1346), ein „umfassende[s] Bildungsverständnis“ (Heinrich 2020: 1347) sowie der Aspekt des Raums als „Gestaltungsdimension“ (Heinrich 2020: 1347) Beachtung.
Eine solche Vernetzung als Grundlage einer sozialräumlichen Ausrichtung des Ganztags bietet die Chance, Sozialraumorientierung institutionell und nachhaltig zu implementieren.
KERNBOTSCHAFT: In der sozialraumorientierten Arbeit werden die Perspektiven und Kenntnisse weiterer Partner einbezogen. Dies kann durch die Kooperation mit außerschulischen Bildungspartner:innen, in regionalen Bildungsnetzwerken oder durch die Vernetzung in Bildungslandschaften realisiert werden.
[1] www.ganztag-nrw.de/fileadmin/user_upload/GanzTag_Bd25_Web.pdf
[2] www.ganztag-nrw.de/vernetzung/qualitaetszirkel/
[3] www.regionale.bildungsnetzwerke.nrw.de/Regionale-Bildungsnetzwerke/Startseite/
7. Den Sozialraum gemeinsam erkunden: Methoden
Im Verständnis einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung steht das Wahrnehmen und Aufgreifen von Kind- bzw. Jugendthemen im Zentrum der Kooperationen. Indem Themen, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen den Kooperationsanlass bieten, wandelt sich die institutionenfokussierte in eine kind- und jugendfokussierte Perspektive und institutionelle Grenzen können überwunden werden.
Das Team der Ganztagsschule möchte nun noch konkreter werden und vor allem die Kinder und Jugendlichen stärker in den Erkenntnisprozess einbeziehen. Denn wenn es um deren Sozialräume und Lebenswelten geht, ist es unumgänglich, die Perspektive der jungen Menschen zu ergründen. Daher werden verschiedene Methoden in den Blick genommen, die sich zur gemeinsamen Erkundung des Sozialraumes eignen.
Im Arbeitsverständnis einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung sind die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen Ausgangspunkt einer angewandten Sozialraumorientierung. Der hohe Stellenwert des Sozialraums lässt sich altersübergreifend für alle Kinder und Jugendlichen begreifen. So können sozialräumliche Methoden nicht nur mit älteren Kindern oder Jugendlichen, sondern bereits mit sehr jungen Kindern, wie z.B. in der Kita, angewendet werden (vgl. Deinet 2009b: 13). Methoden wie die Stadtteilbegehung, Institutionenbefragung, fotografische Streifzüge oder subjektive Landkarten können dazu beitragen, Informationen zu den Lebenswelten und -orten von Kindern und Jugendlichen zu erhalten. Zudem werden Kinder und Jugendliche „als Expert/innen ihrer Lebenswelten in den Prozess aktiv einbezogen“ (Deinet 2020: 1307), indem Fach- und Lehrkräfte sie beim Agieren im Sozialraum begleiten (vgl. Deinet 2020).
Grundlage eines realistischen Bildes des Sozialraums ist ein offener Prozess, in dem Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bekommen, ihre tatsächlichen und mitunter ganz eigenen Eindrücke einzubringen. Für einen solchen Prozess bieten sich konkrete Methoden an, die von Deinet und Grimm (2008) bereits in Heft 8 der Schriftenreihe „Der GanzTag in NRW“ [1] und aktuell auch in „Offene Ganztagsschule – Schule als Lebensort aus Sicht der Kinder“ (Deinet 2018) veröffentlicht wurden. An dieser Stelle folgt eine Kurzbeschreibung einer Auswahl von Methoden:
Nadelmethode
- Es wird nach bestimmten Orten und deren Bedeutung für Kinder und Jugendliche gefragt. Mit der aktivierenden und partizipativen Methode werden auf Stadt(teil)karten verschiedene Orte visualisiert. Dies geschieht über das Setzen von Stecknadeln auf der Stadt(teil)karte. So werden Strukturen von Lieblingsorten Rückzugsorten, Treffpunkten, sicheren Orten, angstbesetzten Orte, gefährlichen Orten, vertrauten Orten, sichtbar.
- So entsteht ein Einblick in die (emotional) unterschiedlich besetzten Orte der Kinder und Jugendlichen.
Stadtteilbegehung
- Die subjektive Sicht auf alltägliche Orte im Umfeld der Kinder und Jugendlichen kann durch eine Stadtteilbegehung sichtbar gemacht werden, in der die Kinder und Jugendlichen selbst als Expert:innen die Begehung anleiten.
- Wichtige Aufenthaltsorte, Wege, Abkürzungen und Nischen werden sichtbar und können zudem noch fotografisch erfasst werden (z.B. mit dem Smartphone oder einer Digitalkamera). Über die Frage nach dem Mehrwert von Orten und Wegen, die Kinder und Jugendliche nutzen, können ihre Bedürfnisse, Ressourcen, Kompetenzen, Talente und Vorlieben sichtbar werden und Eingang in den Bildungsalltag junger Menschen finden.
Zeitbudgets
- Die Methode macht transparent, wie die Kinder und Jugendlichen ihre Tageszeit verbringen und gibt so Aufschluss darüber, wie sich ihr Alltag gestaltet. Ob Verpflichtungen oder frei verfügbare Zeit: Oft generieren sich Zeiten und Abläufe um Räume und Orte, die sozial erlebt und gestaltet werden.
- Für die Durchführung wird ein Wochenplan erstellt oder ausgefüllt, über den die Kinder und Jugendlichen mit den Fach- und Lehrkräften in den Austausch gehen.
- Es besteht die Chance, einen Einblick in das Privatleben zu erhalten und daher neue und unbekannte Seiten, Themen und Interessen der Kinder und Jugendlichen zu entdecken.
Die Ergebnisse der Auswertungen der Methoden tragen dazu bei, die subjektiven Wahrnehmungen von Kindern und Jugendlichen sichtbar zu machen und damit eine näher an den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Ganztagsbildung zu gestalten. So können zum Beispiel bisher unbekannte Kompetenzen und Stärken von Kindern und Jugendlichen in unterrichtliche Lernprozesse integriert werden (vgl. Grimm/Deinet 2008: 9), die außerunterrichtlichen Angebote bedürfnisorientierter und attraktiver gestaltet werden und nicht zuletzt wertschätzende Beziehungen zwischen Pädagog:innen und Schüler:innen entstehen. Vor allem aus Perspektive der Kinder und Jugendlichen können neue bedeutungsvolle Beziehungen untereinander entstehen und das Gruppenbewusstsein der Klasse/des Kurses gestärkt werden (vgl. Grimm/Deinet 2008: 29). Auch die Erschließung von zusätzlichen Orten, die eine besondere Bedeutung für die Kinder und Jugendlichen haben und im Rahmen von Ganztagsbildung genutzt werden können, kann ein Ergebnis der Sozialraumerkundung sein. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Anwendung der Methoden Gelegenheiten für Beteiligung schafft. Kindern und Jugendlichen wird idealerweise aktive Mitbestimmung und Mitwirkung ermöglicht und somit ihre Selbstpositionierung und Selbstreflexion angeregt. Auch können so nachhaltige Selbstwirksamkeitserlebnisse geschaffen werden. Dies gelingt dann, wenn Themen und Ideen von Kindern und Jugendlichen von Lehr- und Fachkräften zum Anlass genommen werden, den Bildungsalltag von Kindern und Jugendlichen weiterzuentwickeln.
KERNBOTSCHAFT: Konkrete Methoden ermöglichen es, die subjektive Perspektive von Kindern und Jugendlichen auf ihren Sozialraum gemeinsam mit ihnen zu erkunden.
Eine Erkundung des Sozialraums hat ggf. auch zur Folge, dass Akteur:innen entdeckt werden, die an der Gestaltung von Ganztagsbildung beteiligt werden können. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten der Kooperation mit außerschulischen Bildungspartner Grenzziehungen zwischen Schulgelände und Sozialraum werden ein Stück weit aufgelöst. Ganztagsschule wird als ein (zentraler) Bildungsort verstanden, der nicht im „luftleeren“ Raum agiert. Vielmehr ist Ganztagsschule ein überaus wichtiger Teil von Bildungsnetzwerken, die die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen, verstehen und Erkenntnisse verschränken. So können Kinder und Jugendliche eine Anerkennung ihrer Lebenswelten erfahren und insbesondere die Ganztagsschule als einen „Resonanzraum“ erfahren (vgl. Maykus 2018: 25 ff.). Konkret heißt das, dass die lebensweltlichen Erfahrungen aus den Sozialräumen der Kinder und Jugendlichen in der Ganztagsschule aufgegriffen werden und dort Gehör finden. Sozialraumorientierung in diesem Sinne ist ein fortwährender Prozess in der Verwirklichung von kind- und jugendorientierten Ganztagsbildungsarrangements, der einen offenen Blick auf die Umwelt erfordert und in dessen Zentrum die Wahrnehmung von Lebenswelten und -realitäten von Kindern und Jugendlichen stehen.
Das Team der Ganztagsschule hat begonnen, sich umfangreich mit seinem Verständnis von Sozialraumorientierung auseinanderzusetzen und einen „ersten Schritt“ hin zum Sozialraum der Kinder und Jugendlichen getan. Das Team erkennt, dass es über das Ergründen von Orten, die für Kinder und Jugendliche wichtig sind, die Kinder und Jugendlichen in zahlreichen Belangen besser verstehen kann. Hieraus erwuchs die Motivation, vorerst einem ausgewählten Thema, dass die Kinder und Jugendlichen stark bewegt, im Rahmen einer offenen Diskussionsrunde in einer längeren Pause im Schulalltag, Raum zu geben. Eine Lehrkraft sowie eine pädagogische Fachkraft öffnen hierfür verlässlich jeden Montag einen Raum in dem sich alle, die sich beteiligen möchten, versammeln und austauschen können. Zu ausgemachten Problemlagen in ihrem Sozialraum finden die Kinder und Jugendlichen selbstständig Lösungen aus denen Handlungen folgen. Die Ganztagsschule konnte darüber hinaus Bildungsorte von Kindern und Jugendlichen sowie mögliche Kooperationsmöglichkeiten im Nahraum der Ganztagsschule entdecken. Erste konkrete Schritte auf dem Weg zur Etablierung einer sozialraumorientierten Ganztagsbildung sind gegangen.
[1] Ein Download der Broschüre ist möglich unter: https://www.ganztag-nrw.de/information/broschueren-ganztag-in-nrw/
Reflexionsfragen
Auf die „Theorie“ bezogen:
- Haben wir ein gemeinsames Verständnis davon, was Sozialraum im Kontext von Ganztagsbildung bedeutet?
- Kennen wir Methoden der Sozialraumerkundung, die wir gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen anwenden möchten?
Auf die Kinder und Jugendlichen bezogen:
- Kennen wir Orte an denen Kinder und Jugendliche wichtige Erfahrungen machen?
- Wo halten sich die Kinder und Jugendlichen in unserer Ganztagsschule gern/ungern auf und warum?
- Wie lassen sich diese „Erfahrungsorte“ in die Planung von ganztägigen Bildungsprozessen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen einbeziehen?
Auf die Ganztagsschule bezogen:
- Welche Bildungsakteur:innen gibt es in unserem Stadtteil/Quartier/Dorf?
- Welche (außerschulischen) Bildungs- und Lebensorte kennen die Kinder und Jugendlichen in unserem Stadtteil/Quartier/Dorf?
- In welchen Kooperationen und Bildungsnetzwerken im Sozialraum ist die Ganztagsschule bereits aktiv und welche Kooperationen können darüber hinaus aufgebaut werden?
Literaturverzeichnis
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